Die Teilnehmenden der Exkursion haben für jeden der Tage (17.-24. September 2024) einen "Tagebucheintrag" erstellt. Die Links in den Überschriften führen zu den jeweils zugehörigen Themenausarbeitungen, z.B. zum Blogeintrag über Bergstürze.
- Tag 1: Dienstag, 17.09.2024 - Risikomanagement, Hochwasser & Geologie (Lustenau & Triesen)
- Tag 2: Mittwoch, 18.09.2024: Bergsturz, Lawinen & sozioökonomische Faktoren (Flims & Andermatt)
- Tag 3: Donnerstag, 19.09.2024 - Permafrost & Gletscher (Furkapass & Aletschgletscher)
- Tag 4: Freitag, 20.09.2024 - Murgänge & Bergstürze (Illgraben & Randa)
- Tag 5: Samstag, 21.09.2024 - Lawinen, Muren & Wasserkraft (Guttannen & Grimselpass)
- Tag 6: Sonntag, 22.09.2024 - Bergsturz & Rutschung (Kandersteg, Spitze Stei)
- Tag 7: Montag, 23.09.2024 - Hochwasser (Kanderdurchstich, Thun)
- Tag 8: Dienstag, 24.09.2024 - sozioökonomische Faktoren (Bern)
Tag 1: Dienstag, 17.09.2024 - Risikomanagement, Hochwasser & Geologie (Lustenau & Triesen)
Risikomanagement & Gefahrenzonenplan-Vortrag:
Uns wurde eine kurze Einführung in das Risikomanagement und die Gefahrenzonenplanung der Schweiz im Vergleich zu Österreich gegeben. Das Risikomanagement dient der Analyse und Bewertung von Risiken, um menschliche Verluste und ökonomische Schäden zu mindern. Das Managementkonzept umfasst die Risikoanalyse (,was kann passieren?'), mit der Analyse von Gefahren, Exposition und Vulnerabilität, um ein mögliches Schadensausmaß in der Zukunft festzustellen, meist anhand von Differenzierung in Szenarien, in der beispielsweise die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses analysiert wird. Weitere Schritte sind die Risikobewertung ('was darf passieren?') und Risikobewältigung und -vorbeugung, welche z.B. die Elemente der Warnung, Alarmierung, Wiederbau, Prävention und Vorsorge integrieren.
Die Gefahrenzonenpläne in Österreich werden für die Prozesse Lawinen und Wildbäche sowie Hochwasser/Überschwemmungen erstellt. Zentrales Element in der Abgrenzung der unterschiedlichen Gefahrenzonen ist die Eintrittswahrscheinlichkeit sowie die Intensität des Prozesses, wobei für Lawinen und Wildbäche ein 150-jährliches Ereignis und für Hochwasser ein 100-jährliches Ereignis berücksichtigt wird. In der Schweiz werden die Gefahrenzonenpläne durch eine Matrix aus den Variablen Intensität und Wahrscheinlichkeit definiert. Die daraus abgeleiteten Zonen bilden die Ausbreitung der jeweiligen Prozesse ab, liefern aber keine zusätzlichen Informationen zu Schadenspotential und Vulnerabilität. Die Gefahrenzonenpläne werden in beiden Ländern in der Raumplanung berücksichtigt, mit Bauverbotszonen oder Auflagen in der Nutzung.
Hochwasser-Vortrag:
Es wurde ein Vortrag über die Hochwasser Situation im Allgemeinen und am Rhein im Speziellen gehalten. Die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen eines Hochwassers hängt mit der Variabilität von atmosphärischen Ereignissen und der Heterogenität der Flusslandschaft zusammen, die sich dynamisch – z.B. durch Verbauungen im Hochwasserschutz - verändert. Ein wesentliches Unterscheidungskriterium von Arten von Hochwasser kann das zeitliche Muster sein: es wird unterschieden in Sommerhochwasser und Winter- bzw. Frühjahrshochwasser. Erstere können bei langanhaltenden Starkregen und wenn die Böden gesättigt oder bereits durchfeuchtet sind, auftreten. Winterhochwasser können durch Regen auf schneebedeckten oder gefrorenen Böden entstehen. Die Frühjahrshochwasser hängen mit einem Temperaturanstieg im Frühjahr zusammen, der neben den potenziellen Niederschlägen einen zusätzlichen Abfluss durch die Schneeschmelze verursacht.
![]() |
Abbildung 1: Illustration des Rheinverlauf von der Quelle bis zum Bodensee (Fotoaufnahme: Jan Kreusel, 17.09.2024) |
In der Gemeinde Lustenau in Vorarlberg ist ein Museum mit einer Ausstellung zu dem Thema der Veränderungen des Rheins, der Hochwasserereignisse und die Entwicklung des Schutzes vor Hochwasser durch Verbauungen. Martin Weiss, ehemaliger Rheinbauleiter und Hochwasserschutzexperte, führte uns durch die Ausstellung. Es wurde über historische, katastrophale Hochwasserereignisse diskutiert, die in den Jahren 1342, 1565 und 1762 auftraten. Bei Berücksichtigung aller dokumentierten Ereignisse ergibt sich eine statistische Wahrscheinlichkeit von katastrophalen Hochwasserereignissen mit einer Jährlichkeit von 200-250 Jahren. Daraus lässt sich ableiten, dass in der Zukunft wieder Hochwasserereignisse mit diesem Ausmaß auftreten könnten. Der Fluss führt Geschiebematerial in Korrelation zum Sohlgefälle und Fließgeschwindigkeit mit, das sich an verschiedenen flacheren Stellen am Gleithang ablagern kann.
![]() |
Abbildung 2: Rheinvorstreckung (Fotoaufnahme: Jan Kreusel, 17.09.2024) |
Da einige Verbauungen mit Hochwasserdämmen und Durchstiche am Rhein getätigt wurden, ist der Laufweg des Gewässers verkürzt. Dies führt auch dazu, dass sich das Material in großen Mengen in den Bodensee in den damals neuen Mündungsbereich ablagert wird. Die Rheinvorstreckung ist eine weitere künstliche Baumaßnahme, damit der Feststoffgehalt in tiefere Bereiche des Bodensees abgelagert werden kann und sich nicht mehr am Mündungsbereich ablagert. Durch diese Maßnahme konnte mehr Nutzfläche (z.B. für die Landwirtschaft oder Siedlungen) gewonnen werden. Nachteile finden sich im erhöhten Risiko durch Hochwasser, falls die Dämme überflossen werden oder brechen, sowie im Rückgang der Artenvielfalt. Besprochen wurde unter anderem das Projekt Rhesi, das für Rhein, Erholung und Sicherheit steht und verschiedene Aspekte integriert. Im Rahmen des Rhesi-Projekts wird daher die Flusslandschaft umgestaltet.
![]() |
Abbildung 3: Rhesi-Projekt - Baumaßnahmen zur Umgestaltung des Rheingebiets für den Hochwasserschutz und zur Erhaltung der Artenvielfalt (Fotoaufnahme: Jan Kreusel, 17.09.2024) |
Geologie-Vortrag:
Wir hatten eine kurze Einführung in die Geologie der Schweiz. Diese wird in drei geologische Großregionen eingeteilt. Die Alpen im Süden nehmen in etwa 60% der Landesfläche ein. Das Mittelland hat einen Flächenanteil von etwa 30% und besteht aus vielen Hügellandschaften. Geologisch bedeutsam sind hier die Molasse-Sedimente, die im Tertiär durch Senkungsvorgänge im Kontext der Alpenbildung durch Überflutungen entstanden. Das Juragebirge im Norden der Schweiz, benannt für das geologische Zeitalter Jura, entstand durch Sedimentablagerungen aus Kalk, Mergel und Ton im Flachmeer der Tethys und eine plattentektonische Auffaltung im Pliozän. Der Schweizer Alpenraum wird in mehrere tektonische Einheiten unterteilt. Es dominieren die Helvetica-Decke (nördlich) und das Penninikum (südlich), die ostalpine Decke kommt untergeordnet vor. Im Vergleich nimmt die ostalpine Decke eine große Fläche der österreichischen Alpen ein.
Letzter Stopp Liechtenstein: Diskussion Unterschiede der Verbauungsmaßnahmen am Rhein in Liechtenstein und Lustenau (Vorarlberg):
In Lustenau erkannten wir, dass die Verbauungsmaßnahmen am Rhein aus zwei Dämmen bestanden. Der innere Wall diente zur Begradigung und Verschmälerung des Querschnitts und somit zur Beschleunigung der Fließgeschwindigkeit im Fluss, wohingegen der zweite, höhere Damm am Rand als Hochwasserschutz dient. Anders ist es in Liechtenstein, hier ist lediglich ein Damm pro Flussseite vorzufinden. Der Rhein weist dort einen breiteren Querschnitt auf und das gesamte Gerinne kann mehr Wasser fassen als in Lustenau. Allerdings ist in Liechtenstein das Problem, dass der Damm bei einem starken (300 jährlichem) Ereignis brechen könnte. Bei einem Dammbruch im Süden and der Landesgrenze würden Schätzungen zufolge 22% des Landes überflutet werden. Der Schaden würde das BIP um 144% übersteigen. Ohne Hilfe aus dem Ausland wäre es nicht möglich diesen Schaden zu reparieren. Deshalb wird stark an der Sanierung unterschiedlicher Dammabschnitte gearbeitet. Da Wasser bei Hochwasser durch den Damm sickert und es dadurch zur Erosion an der Luftseite kommen könnte werden drei verschiedene Unterstützungsmaßnahmen durchgeführt: Der Zubau einer Stützmauer (kostenintensiv aber benötigt wenig Platz), Aufschüttung mit Kies, wodurch das Wasser abfließen kann (viel Platz, aber günstiger) oder der Einbau einer Trennmauer im Damm selbst (aufwändig).
![]() |
Abbildung 4: Verbauung
am Rhein in Liechtenstein (Fotoaufnahme: Leon Frimmel, 17.09.2024) |
![]() |
Abbildung 5: Damm-Verbauungen am Rhein in Lustenau (Fotoaufnahme: Jan Kreusel, 17.09.2024) |
Tag 2: Mittwoch, 18.09.2024: Bergsturz, Lawinen & sozioökonomische Faktoren (Flims & Andermatt)
Orte: Flimser
Bergsturz, Rheinschlucht, Andermatt
Am 18.09.2024 führte unsere Exkursion zu zwei geologisch
und wirtschaftlich bedeutenden Orten der Schweiz: dem Gebiet des Flimser
Bergsturzes und der Rheinschlucht sowie Andermatt. Ziel war es, die
geomorphologischen Prozesse des Bergsturzes und der fluvialen Dynamik des
Rheins zu verstehen sowie die Raumnutzung und sozioökonomischen Entwicklungen
in Andermatt zu analysieren.
Der Flimser
Bergsturz und die Rheinschlucht: Dynamik und geomorphologische Prozesse
Der Flimser Bergsturz, der vor etwa 9.500 Jahren stattfand, gilt als das größte bekannte Bergsturzereignis in den Alpen. Mit einem geschätzten Volumen von etwa 8 bis 15 Kubikkilometern, mit dem er deutlich die untere Grenze für Bergstürze von 106 m³ überschreitet, gehört er zu den bedeutendsten Massenbewegungen der alpinen Region. Die genauen Ursachen des Bergsturzes werden in der Literatur diskutiert, doch ein Erdbeben als auslösender Faktor wird als wahrscheinlich angenommen. Besonders interessant ist die zeitliche Nähe zu anderen Bergstürzen, wie beispielsweise dem Bergsturz von Köfels (Tirol, AT), was auf eine Phase erhöhter tektonischer Aktivität, wie etwa einem großen Erdbeben, in dieser Region hinweisen könnte.
![]() |
Abbildung 1: Flimser Bergsturz (Aufnahme: Maike Krist) |
![]() |
Abbildung 2: Material im Ablagerungsgebiet: Plattenartiger Kalk aufgrund der Bewegung durch den Bergsturz (Aufnahme: Maike Krist) |
Die
Sturzmasse lagerte sich über eine Fläche von rund 52 km² ab und führte zur
Umgestaltung des gesamten Talsystems (Abb. 1). Die Rheinschlucht wurde durch
die spätere fluviale Erosion des Vorderrheins in die Bergsturzmassen
geschnitten. Das ausgeprägte System von Mäandern verdeutlicht die komplexe
Interaktion zwischen erosiven und akkumulativen Prozessen. In Bezug auf die
Mäander wurde die Frage gestellt, wann diese durchbrochen werden könnten. Interessant war
die gemeinsame Diskussion, dass dieser Prozess in Abhängigkeit von Geologie, Fließgeschwindigkeit und Extremereignissen voranschreiten wird. Veränderungen werden hauptsächlich während großen
Ereignissen geschehen, und es wurde spekuliert ob ein Durchbruch vielleicht noch in der Lebensdauer der
Studierenden erfolgen kann.
![]() |
Abbildung 3: Mäandrierender Fluss mit Prall- und Gleithängen (Aufnahme: Maike Krist) |
Schlussendlich haben also fluviale Prozesse zur Tiefenerosion des Rheins beigetragen und prägen das heutige Talbild. Die Rheinschlucht stellt ein eindrucksvolles Beispiel für fluviale Erosion und postglaziale Landschaftsformung dar. Auffallend waren die Prall- und Gleithänge, die die Dynamik des Flusses verdeutlichten (Abb. 3). Prallhänge sind dabei steilere Abschnitte der Flussschleifen, die intensiver erodiert werden, während an den Gleithängen eine sedimentäre Ablagerung stattfindet.
Analysiert wurden auch die Tomahügel. Die isolierten Hügel
in der Talebene, die aus Bergsturzmaterial bestehen, sind ein Indiz für die Art
der Ablagerung und den Transport der Bergsturzmasse durch den Fluss. Es stellt
sich heraus, dass es vor dem Flimser Bergsturz bereits ein kleineres Ereignis
in der Nähe von Tamins gab, der als Damm für einen See diente. Während dem
Flimser Bergsturz, wurden die Ablagerungen von Tamins überflutet und das Material
in den unteren Verlauf transportiert. Die Verkleinerung der Tomahügel nach
Osten zeigt den gerichteten Transport des Materials durch den Flusslauf an.
Diese Prozesse dokumentieren den Wechsel zwischen Akkumulation und Erosion in
der Region. Ergänzend wurden plattenartige Strukturen im abgelagerten Material festgestellt,
die auf die Dynamik des Bergsturzes hinweisen (Abb. 2).
Anschließend wurde die Entstehung des flachen Talbodens westlich der Bergsturzablagerungen diskutiert, der auf eine vorübergehende Bildung des Illanzer Sees infolge der Aufstauung des
Rheins durch das Bergsturzmaterial zurückzuführen ist. Durch Erosionsprozesse des Vorderrheins wurde dieser See wieder entleert. Diese Phase der
Akkumulation im See und in der Flusslandschaft6 ermöglichte die flächige Sedimentation und führte zu einer
markanten Verflachung der Talsohle.
Andermatt: Raumnutzung und wirtschaftliche Transformation
![]() |
Abbildung 4: Das Bergdorf Andermatt (Aufnahme: Ben Pepin) |
Der zweite Teil des
Exkursionstages führte uns nach Andermatt (Abb. 4), einem kleinen Bergdorf im
Kanton Uri, das in den letzten Jahren eine städtebauliche und wirtschaftliche
Transformation durchlaufen hat. Die Lage und Ausdehnung von Andermatt ist von jeher stark durch Lawinen und Hochwasser eingeschränkt und hat somit eine lange Tradition im Umgang mit diesen Naturgefahren (z.B. Bannwald und aktuell Nutzung des Golfplatzes als mögliche Retentionsfläche bei Hochwasser). Andermatt ist im Laufe der letzten 200 Jahren
stark vom Verkehr über und unter dem Gotthardpass beeinflusst worden. So hat
der Gotthard-Straßentunnel dafür gesorgt, dass das Dorf ab den 1980er Jahren
stark vom Verkehr beruhigt wurde. Im Zuge der Schließung der Gotthard-Festung
und des Rückzugs der Schweizer Armee in den 1990er Jahren erlebte Andermatt
eine wirtschaftliche Krise. Mit einem initiierten Projekt einer touristischen
Großentwicklung änderte sich die wirtschaftliche Perspektive des Ortes. Auf dem
ehemaligen Militärgelände entstand ein modernes Resort, das wie ein eigenes
Dorf angelegt wurde. Das Projekt umfasst den Bau von Hotels und Apartments,
welche sich um einen zentralen Dorfplatz gruppieren. Die neuen Gebäude
reflektieren unterschiedliche Architekturstile, die Teile der Schweiz
repräsentieren sollen, und bieten ein vielfältiges Wohn- und Freizeitangebot
(Abb. 5 & Abb. 6).
![]() |
Abbildung 5: Die neuen Gebäude in unterschiedlichen Architekturstilen (Aufnahme: Maike Krist) |
![]() |
Abbildung 6: Plan des Resorts in Andermatt (Aufnahme: Ben Pepin) |
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Tag 3: Donnerstag, 19.09.2024 - Permafrost & Gletscher (Furkapass & Aletschgletscher)
Permafrost
(Furkapass)
Wir starteten in den Tag mit einem Beitrag unseres Kommilitonen über Permafrost, geomorphologische Prozesse und Formen im Kontext von Permafrost. Als Permafrost bezeichnet man dauerhaft gefrorenen Boden, der mindestens zwei Jahre in Folge Temperaturen unter 0°C aufweist. Wesentliche Komponenten sind die sommerliche Auftauschicht und der dauergefrorene Bereich. Der Eisanteil im dauergefrorenen Permafrost stabilisiert Felsen und Lockermaterial in Hanglagen. Permafrost ist als solcher äußerlich nicht erkennbar, außer durch wenige geomorphologische Formen, z.B. Blockgletscher. Am Standort sind an der Oberfläche Lobenstrukturen erkennbar (Solifluktion), die auf Permafrost hinweisen und in der Auftauschicht entstehen (Abb. 1). Die Solifluktionsloben sind in höheren Lagen schuttbedeckt und in tieferen Lagen mit Vegetation bedeckt. Wir hörten auch, dass der Klimawandel starken Einfluss auf alpinen Permafrost nimmt und diesen immer mehr auftauen lässt. Dies bringt erhebliche Risiken mit sich, da Felsstrukturen, die durch das Tauen des Permafrosts ihre Stabilität verlieren, Felsstürze und Muren auslösen können.
![]() |
Abbildung 1: Solifluktionsloben am Furkapass. Andreas Mayer. 19.09.2024 |
Am späteren Vormittag wanderten wir gemeinsam zum Rhonegletscher, einem der bekanntesten Gletscher der Schweiz im Kanton Wallis. Aus ihm entspringt der gleichnamige Fluss. Der Rhonegletscher hat eine Länge von zirka acht Kilometern und eine Fläche von zirka 15 Quadratkilometern. Wie alle alpinen Gletscher schrumpft der Rhonegletscher seit spätestens dem 19. Jahrhundert massiv. Seine ehemalige Mächtigkeit lässt sich an der Lage der höherliegenden Seitenmoränen erkennen. Die beobachteten Geländeformen lassen jene Bereiche erkennen, welche durch die glaziale Erosion abgeschliffen bzw. abgerundet wurden, als sie noch unter dem jetzt abgeschmolzenen Teil des Gletschers lagen. Häufig bilden sich beim Gletscherrückgang Gletscherseen aus, wie wir am Rhonegletscher beobachten konnten (Abb. 2).
![]() |
Abbildung 2: Rhonegletscher und Gletschersee. Florian Markt. 19.09.2024 |
Großer Aletschgletscher
Nachmittags
erreichten wir dann per Gondel und einer kurzen Wanderung den großen
Aletschgletscher. Der große Aletschgletscher ist mit einer Länge von ca. 20 Kilometern und einer Fläche von ca. 78 Quadratkilometern der größte Gletscher im
Alpenraum. Er dient als wichtige Wasserressource für die Region, da das Wallis zu den inneralpinen Trockentälern zählt.
Klimawandelbedingt verkürzt sich seine Gletscherzunge jährlich ca. um 50 bis 80 Meter. Ein besonderes Merkmal bei diesem Gletscher ist, dass er von drei
mächtigen Gletschern (lokale Bezeichnung Firn) gespeist wird. Diese (Aletschfirn, Jungfraufirn und
Ewigschneefeld) fließen am sogenannten Konkordiaplatz zusammen und bilden
gemeinsam den großen Aletschgletscher. Dieser Zusammenfluss der drei Gletscher ist durch die zwei mittleren Seitenmoränen besonders gut zu
erkennen.
![]() |
Abbildung 3: Großer Aletschgletscher. Florian Markt. 19.09.2024 |
Rutschung
Moosfluh
An den Hängen von der Mossfluh zum Gletscher wurde aufgrund der Druckentlastung durch den Rückzug des Aletschgletschers die sehr große, tiefliegende sogenannte Moosfluh-Rutschung reaktiviert. In der Mitte 2000er kam es zu einer Beschleunigung der Rutschungsbewegung, welche seit 2016 eine sehr hohe Aktivität aufweist und eindrücklich im Gelände durch Nackentälchen und Spalten in den Hängen zu sehen ist.
Tag 4: Freitag, 20.09.2024 - Murgänge & Bergstürze (Illgraben & Randa)
Im Folgenden werden das Erlebte, Gelernte und die „Key-Takeaways“ des Freitags auf der Schweiz Exkursion geschildert. Die wissenschaftlichen Vorträge fanden mit Blick auf das Einzugsgebiet des Illgrabens und am Bergsturzgebiet von Randa statt.
In Abbildung 1 ist der Illgraben dargestellt,
der durch ein inneralpines Klima mit Niederschlägen von unter 500mm/a, jedoch sommerlichen Starkregenereignissen und
überdurchschnittlich hohen Jahrestemperaturen für den Alpenraum, gekennzeichnet
ist.
![]() |
Abbildung 1:
Übersicht Illgraben (Eigenaufnahme, Lukas Beer) |
Das Einzugsgebiet des Illgrabens ist aus geologischer und geomorphologischer Sicht sehr gut untersucht. Global befindet sich hier eines der besten Monitoring
Systeme, da eine hohe Frequenz von zwischen drei und acht größeren Murgängen pro Jahr auftreten können. Dieses Überwachungssystem wurde nach einem Extremereignis 1961
errichtet, nachdem sich aufgrund der Ablagerungen ein See bildete, neben
dem großflächige Zerstörung auftrat.
Bei dem ersten Stopp in Leuk erfolgte
neben einer Übung zu den geologischen Eigenschaften des Illgrabens ein Vortrag, bei dem es um die Prozesse, sowie die Historie der
Murabgänge ging. Spannend war die Größe des Einzugsgebietes mit etwa 14km² und der
engen Schlucht am Kegelhals, die durch härteren Muschelkalk entstanden ist, während
das restliche Einzugsgebiet vorwiegend aus Kieselkalkstein besteht. Außerdem
war die größere Neigung an der Spitze des Murkegels interessant, die durch
Berg- oder Felsstürze entstanden ist.
![]() |
Abbildung 2:
Schichtung im Illgraben (Eigenaufnahme, Lukas Beer) |
Später
wurde der Murkegel begangen und als die Hängebrücke über dem Illgraben erreicht
wurde, konnte die gelbliche Färbung des Ablagerungsmaterials besprochen werden,
sowie auch der Eintrag des Materials in die Rhone. Sturzprozesse bringen Material in das Gerinne des Illgrabens, welches bei
Niederschlagsereignissen mittels Murgänge weiter abtransportiert wird. Die
Transportgeschwindigkeit kann am Ilgraben bis zu 5m/s erreichen. Die
Ablagerungen erfolgen schichtweise, wie in Abbildung 2 zu erkennen ist, bei
denen Abfolgen von Murgangereignissen mit gröberen und feineren Blöcken und Körnen zu erkennen ist. Ebenfalls
ist hier ein Prallhang zu erkennen, der starker Erosion unterliegt. Teilweise
kann bei hohen Muren oder Hochwasserwellen auch Vegetation angegriffen werden.
In Abbildung 3 ist die erwähnte Hängebrücke, sowie Teile der Einzugsgebietsbegrenzung zu sehen. Im Verlauf der Besprechung wurden weitere Gefahren diskutiert, bei denen unsere Exkursionsgruppe Waldbrand, Felsstürze und Murgänge erörterte.
![]() |
Abbildung 3: Hängebrücke (Eigenaufnahme, Xenia Waibl) |
Nach der Diskussion der Prozesse und Entwicklungen am Illgraben fuhren wir ins Mattertal nach Randa, um dort den Bergsturzprozess und andere Naturgefahren zu besprechen. In Abbildung 4 ist die aktuelle Ablagerung des Bergsturzes zu erkennen.
![]() |
Abbildung 4:
Bergsturz Randa (Eigenaufnahme, Lukas Beer) |
![]() |
Abbildung 5:
Weißhorn (Eigenaufnahme, Xenia Waibl) |
Die „Key-Takeaways“ des Exkursionstages bestanden in einem Prozessverständnis, welches für die Anwendung in der Praxis notwendig ist, sowie auch zum Ereignisablauf, welcher vielfältigen Einwirkungen unterliegt. Wir haben gelernt, dass ein breit gefächertes Wissen von Relevanz ist. Die Realität ist meist weitaus komplexer als der theoretische Prozess, welcher im Hörsaal vermittelt wird. Gleichzeitig kann durch ein „offenes Auge“ beim Begehen des Untersuchungsgebietes, die übergeordnete Prozessdynamik verstanden werden. In Randa zeigte sich, wie ein Leben unter einer Vielzahl an Naturgefahren möglich ist, die das Dorf von allen Seiten bedrohen. Im Gesamten war der Tag sehr lehrreich, der Blick ins Mattertal wunderschön und wir konnten viele Eindrücke sammeln.
![]() |
Abbildung 6: Murkegel
durch den Dorfbach auf der Rückseite von Randa
(Eigenaufnahme, Lukas Beer) |
Tag 5: Samstag, 21.09.2024 - Lawinen, Muren & Wasserkraft (Guttannen & Grimselpass)
Lawinen
(Obergoms & Guttannen)
Wir haben den Tag in Obergoms bei den dortigen Lawinenverbauungen gestartet. Hier haben unsere Kommiliton:innen einen Vortrag zu Lawinentypen und der -situation vor Ort gehalten. Dabei war es wichtig im Gelände zu erkennen, wo die Gefährdung besteht, an welchen Merkmalen man dies ausmachen kann und wie die Schutzmaßnahmen aussehen oder funktionieren können. Dies konnten wir besonders gut an der Vegetation/den (fehlenden) Bäumen erkennen. Lawinenschneisen weisen oft höchstens einen Jungwaldbestand auf, woraus man ableiten kann, dass dort regelmäßig Lawinen abgehen und die vorhandenen Bäume mitreißen. Lawinen entstehen aufgrund von verschiedenen Parametern, der Meteorologie, der Lage, des Reliefs und der Exposition. Besonders wichtig für die Entstehung der Lawinen sind Windverfrachtung und Temperatur. Sobald Schwachschichten entstehen, was auf viele unterschiedliche Arten passieren kann, können Lawinen etwa als Schneebrett-, Nassschnee-, oder Staublawinen abgehen (Abbildung 1).
![]() |
Abbildung 1: Lawinenklassifikationen nach Kienholz et al. 1998, 25. |
Die Dörfer werden im Tal seitlich auf den Murkegeln gebaut, weil Muren und Lawinen episodisch vorkommen, Hochwasser in den flachen Bereichen des Talbodens dagegen regelmäßiger, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß vorkommen. Des Weiteren gibt es noch permanente oder temporäre Maßnahmen, die die Lawinengefahr reduzieren sollen, erstere sind etwa Lawinenrechen oder ausreichend Bewaldung an den Hängen, aber auch gezielter Objektschutz; dazu zählen unter anderem Sprengungen zur Vermeidung des Aufbaus mächtiger Schneeschichten oder Sperrungen von Gebieten. Überraschend war für uns, wie Lawinen, wenn in der bewegten Schneedecke Langgräser festgefroren sind, bewirken können, dass auch die Grasnarbe verletztet werden kann. Dies kann im Anschluss für mehr Erosion sorgen.
![]() |
Abbildung 3: Veranschaulichung der Lawinenhöhe in Guttannen von 1999. Aurel
Vidali, 21.09.2024. |
KWO-Kraftwerke
Oberhasli (Grimselpass)
Den restlichen Tag haben wir mit Daniel Bürki von der KWO (Kraftwerke Oberhasli) verbracht, einem Experten für Naturgefahren, der gleichzeitig Leiter der Bauausführung und der Gruppe Fels, Wasser & Eis der KWO ist. Der Grimselpass ist die europäische Kontinentalwasserscheide zwischen Mittelmeer und Nordsee und der Standort des Grimselsees, einer der acht Seen, mit der die KWO Strom produziert und der eine Million Menschen in der Schweiz versorgt. Der Baubeginn war vor hundert Jahren und ist gerade wieder aktuell, weil die Staumauer Spitalklamm ersetzt wird, das heißt in diesem Falle, dass eine zweite Mauer vor der alten gebaut wird, die ihrerseits erhalten bleibt (siehe Abbildung 4). Dies wurde so geplant, weil sie einerseits unter Denkmalschutz steht, andererseits der See so nur für einen geringeren Zeitraum (für den Durchbruch der ersten Mauer) geleert werden muss.
![]() |
Abbildung 4: Ersatz der Spitallamm Staumauer in Oberhasli. Aurel Vidali,
21.09.2024. |
Der Klimawandel ist für die KWO aus vielerlei Hinsicht wichtig: Es wird erwartet, dass der waterpeak mit 2040/2050 erreicht sein wird. In der Folge wird der Abfluss abnehmen, was zu Einbußen in der Stromproduktion führen könnte. Es ist dementsprechend nicht unerheblich jetzt schon zu wissen, zu welchen Anteilen das genutzte Wasser aus Regenwasser, Schnee oder Gletscherschmelze besteht. Dafür werden Untersuchungen anhand von Isotopen durchgeführt, um herauszufinden, wie sich die Verteilung und damit das Wasservolumen im Laufe der Zeit verändern könnte. Obwohl es sich hierbei um Strom aus erneuerbaren Energien handelt, gibt es dennoch einige Punkte die kritisch zu betrachten sind. Zum einen gibt es einen großen Eingriff in die Natur durch das Aufstauen der Seen und die baulichen Maßnahmen, zum anderen besteht ein Risiko durch das Auftauen des Permafrosts, was zu Felsstürzen in den See und in der Folge zu Flutwellen oder Schäden in der Infrastruktur führen könnte. Außerdem wird durch das Pumpspeicherwerk Strom vor allem für Spitzenzeiten produziert und nicht unbedingt die Energiewende damit vorangetrieben.
Muren
& Permafrost (Ritzlihorn, Rotlouwi, Spreitbach)
Am Beispiel vom Ritzlihorn
haben wir eine Messtation für Permafrost besprochen, wobei uns erklärt wurde,
wie kompliziert dies aufzubauen und zu finanzieren sei, vor allem wenn in den
letzten Jahren keine Ereignisse vorgekommen sind, die der Bevölkerung in
direkter Erinnerung geblieben sind. Des Weiteren wurde darüber diskutiert,
inwiefern Permafrost tatsächlich für Rutschungs- und Folgeprozesse
verantwortlich ist, weil dies stark von der Lage und der Exposition abhängt. In
diesem Kontext haben wir uns die Rotlouwi und den Spreitbach angeschaut, in
deren Betten mehrmals jährlich Muren vorkommen, welche die Bevölkerung und Gebäude
gefährden. Aufgrund dessen mussten in der Gemeinde Guttannen sogar manche
Personen umgesiedelt werden, weil es wahrscheinlich ist, dass ihre Häuser von
den Großereignissen betroffen werden könnten. Dies hat uns wieder einmal die
Verflechtungen zwischen physischer und Humangeographie aufgezeigt. Im Gelände
konnte diese Situation anhand der Geschiebeablagerungen gut erkannt und
nachvollzogen werden (Abbildung 5). Das Risiko besteht nicht nur ausschließlich
für die dortige Bevölkerung, sondern auch für den Verkehr, weswegen eine
Galerie inklusive Warnsystem gebaut wurden. Zudem verläuft unterirdisch durch
die Gemeinde eine international wichtige Gaspipeline, die aufgrund der Murgänge
besonders beobachtet und gesichert werden muss.
![]() |
Abbildung 5: Geschiebeablagerung an der Mündung des Spreitbachs. David
Spechtenhauser, 21.09.2024. |
Insgesamt wurde an diesem Tag klar
erkenntlich, wie hoch das Schadenpotential durch Muren und Lawinen sein kann.
Gleichzeitig ist es schwierig die Ausmaße im Voraus zu bestimmen, weswegen
Gefahrenzonenpläne und Frühwarnsysteme für die Bevölkerung von hoher Relevanz
sind. Auf der menschlichen Ebene wurde uns auch erklärt, dass solchen
Situationen eine starke Zusammenarbeit im Dorf auslösen. Auch die Hilfe von
Außerhalb trägt dazu bei, solche Ereignisse und deren Folgen zu meistern.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Tag 6: Sonntag, 22.09.2024 - Bergsturz & Rutschung (Kandersteg, Spitze Stei)
Von Meiringen nach Kandersteg
Heute führte die Exkursion von Meiringen nach
Kandersteg und bot umfassende Einblicke in die geomorphologische Dynamik der Region.
Der Weg entlang des Brienzer Sees und Thunersees zeigte die landschaftliche Veränderung von den
Alpen hin zur Molassezone. Die Übergangszone zur Molassezone am nördlichen Ende des Thunersees zeichnet sich durch eine hügelige Topografie aus, insbesondere in der Region um
den Brienzer See.
Historisch betrachtet hat die Region am Brienzer See bereits einige Herausforderungen durch Naturereignisse erlebt. Ein bedeutendes Ereignis war das Hochwasser im Jahr 2005, bei dem fünf Wildbäche, darunter der Glysibach, enorme Wassermassen führten. Im August 2024 kam es zu Ereignissen mit großen Schäden am Milibach, Personen konnten jedoch rechtzeitig evakuiert werden. Amm Lammbach bestand durch das Alter der Schutzbauten – einige über 100 Jahre alt – eine erhöhte Gefahr bei extremen Ereignissen und es wurden dementsprechend neue Schutzmaßnahmen umgesetzt.
Die geologischen Prozesse rund um den Spitze Stei in
der Gemeinde Kandersteg (Kanton Bern) standen heute im Mittelpunkt der
Exkursion. Einen tieferen fachlichen Einblick
gab uns Irene Kallen, welche Expertin für Naturgefahren und Hydrologie ist.
Bereits vor etwa 10.000 Jahren ereignete sich ein Bergsturz, welcher Geschiebe
bis nach Frutigen hinab führte. Jedoch weist der
Spitze Stei weiterhin eine hohe Instabilität auf, da es sich um eine
tiefgründige Rutschung handelt. Besonders relevant sind hier die möglichen Auswirkungen von tauendem Permafrosts und insbesondere der erhöhte Wasserdruck im stark zerrütteten Gestein, die die
Hangstabilität weiter beeinträchtigen.
![]() |
Abbildung 1: Spitze Stei (Eigene Aufnahme Bauer: 2024) |
Ein zentraler Punkt der heutigen Erkenntnisse war
die detaillierte Analyse von Rutschungen, die als primäre Prozesse die
Landschaftsgestaltung in der Region beeinflussen. Rutschungen treten entweder
als isolierte Ereignisse auf oder in Kombination mit anderen Sturzprozessen und
bilden so einen komplex-dynamischen Prozess. Diese Prozesse werden von
verschiedenen Faktoren beeinflusst, darunter die geologische Zusammensetzung
des Untergrunds, die Hangneigung und der Wasserdruck in Spalten oder an Gleitflächen. Insbesondere der
Verlust der Scherfestigkeit bei hoher Sättigung und Prozesse der
Erosion und Verwitterung spielen eine wesentliche Rolle. Aber auch die
Vegetation und anthropogene Einflüsse wirken sich auf die Hangstabilität aus.
Die heute beobachteten Rutschungsbewegungen an der Spitze
Stei werden durch verschiedene Messmethoden dokumentiert. Es wurde mittels
Bohrungen festgestellt, dass sich die Rutschung nicht nur auf die
oberflächennahen Horizonte beschränkt, sondern bis in Tiefen von 60 bis 70 Meter reicht. Schätzungen zufolge bewegt
sich eine Masse von etwa 20 Millionen m³. Die Bewegungen erfolgen jedoch nicht
einheitlich,
sondern verteilen sich auf drei größere Segmente des
Berges. Die Gipfelfront bewegt sich mit etwa 1,5 cm pro Tag, während der
westliche Teil des Berges eine deutlich schnellere Bewegung von bis zu 50 cm
täglich zeigt.
![]() |
Abbildung 2: Frontalansicht und Bewegungsrate Spitze Stei (gemeindekandersteg.ch
2024: online). |
Zur genauen Beobachtung der Bewegungen wurden
moderne Überwachungsinstrumente installiert, darunter Radar, Tachymetrie (30
Spiegel) und autonome GPS-Geräte, welche nach technischer Umsetzbarkeit
installiert werden. Leitung der gesamten
Überwachung ist die Firma GEOTEST, welche ein breites Spektrum an
Dienstleistungen im Bereich der Geowissenschaften abdeckt.
Besonders hervorzuheben ist die Rolle des Wassers
als Hauptursache für die Bewegungen. Während der Schneeschmelze und bei
Regenereignissen zeigte sich ein deutlicher Anstieg der Bewegungen, was durch
die Messinstrumente, v.a. die Tachymetrie, bestätigt wurde. Diese Beobachtungen
unterstreichen den Zusammenhang zwischen Wassersättigung und Hanginstabilität.
Ein besonderes Augenmerk galt dem Oeschinensee, der
aufgrund der potenziellen Gefahr durch einen weiteren Bergsturz teilweise
gesperrt wurde. Die Szenarien für ein solches Ereignis sind vielfältig und
reichen von Flutwellen bis hin zu möglichen Evakuierungen. Verschiedene
Stakeholder (Bewohner der Gemeinde, Seilbahnbetreiber, Wanderwegbetreiber, Hoteliers
als auch Touristen und weitere Akteure) sind deshalb eng miteinander vernetzt
um im Krisenfall strukturiert und rasch agieren zu können, wie Frau Loretan, Gemeinderätin in Kandersteg, bestätigt. Diese hat in Zusammenarbeit mit dem Kanton und dem Bund Maßnahmen
getroffen, um im Ernstfall vorbereitet zu sein. Neben umfangreichen
Krisenplänen für die Anwohner werden auch Touristen durch ihre Unterkünfte oder
der Website über die aktuellen Gefahrenlagen sowie möglicherweise gesperrte
Wanderwege informiert.
Zusammenfassend
verdeutlichte der heutige Tag die enorme Komplexität geomorphologischer Prozesse und
ihre potenziellen Gefahren für die Region. Die fortlaufende Überwachung und die
Implementierung technischer Schutzmaßnahmen sind entscheidend, um die
Sicherheit der Bevölkerung und die Stabilität der Landschaft zu gewährleisten.
Gleichzeitig zeigt sich, dass die Natur auch bei bester Vorbereitung nur bedingt
kontrollierbar ist und ein kontinuierliches Monitoring unerlässlich bleibt.
![]() |
Abbildung 3: Sperrgebiet am Oeschinensee (Eigene Aufnahme Braunstingl 2024) |
Diskussionspunkte des heutigen Tages:
1.
Umsiedelung als Alternative zum Schutz
der betroffenen Gebiete
Angesichts der anhaltenden geomorphologischen Instabilität im Gebiet des Spitze Stei und der hohen finanziellen sowie logistischen Aufwendungen für die kontinuierliche Überwachung und den Schutz der Region stellt sich die Frage, ob eine vollständige oder teilweise Umsiedelung der Bevölkerung eine sinnvolle Alternative darstellen könnte. Teile der lokalen Bevölkerung haben bereits präventiv eine Umsiedelung aus den gefährdeten Gebieten in Betracht gezogen oder umgesetzt. Dies wirft die Frage auf, ob eine staatlich unterstützte und strukturierte Umsiedelungsstrategie langfristig sowohl ökonomisch als auch sicherheitstechnisch vorteilhafter wäre als die ständigen Schutzmaßnahmen, die sowohl finanzielle als auch technische Ressourcen binden. Allerdings müsste eine Umsiedelung gut geplant werden, um den sozialen und wirtschaftlichen Folgen, insbesondere für die lokale Infrastruktur und die Tourismuswirtschaft, gerecht zu werden. Hierbei sollten langfristige Sicherheitsüberlegungen mit kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen abgewogen werden.
2. Touristische
Nutzung und Naturgefahren
Die Region um den Spitze Stei und den Oeschinensee ist ein beliebtes Ziel für Wanderer, Naturliebhaber und Touristen. Allerdings birgt die touristische Nutzung in einem Gebiet mit erhöhter geomorphologischer Aktivität erhebliche Risiken. Trotz bestehender Krisenpläne und umfassender Überwachungsmaßnahmen bleibt das Restrisiko eines plötzlichen Naturereignisses bestehen. Besonders relevant ist hierbei die Balance zwischen der Sicherstellung der touristischen Attraktivität der Region und der Gewährleistung der Sicherheit von Besuchern. Eine stärkere Einschränkung der touristischen Planungen könnte notwendig sein, einschließlich präventiver Schließungen von Wanderwegen und Attraktionen während kritischer Wetterereignisse wie bei starken Niederschlägen. Gleichzeitig könnten gezielte Aufklärungsmaßnahmen und transparente Kommunikation über mögliche Risiken das Sicherheitsbewusstsein der Touristen schärfen, ohne die Attraktivität der Region zu mindern. Eine effektive Risikokommunikation und präventive Sicherheitsmaßnahmen sollten daher in die zukünftige touristische Entwicklung integriert werden, um sowohl wirtschaftliche Interessen als auch die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten.
Quelle:
Abb. 2.: Gemeinde Kandersteg (2024): Information Rutschung Spitze Stei. https://www.gemeindekandersteg.ch/spitze-stei#:~:text=Die%20Bewegungsraten%20im%20tiefgr%C3%BCndigen%20Gipfelbereich,sind%20die%20Bewegungsraten%20praktisch%20unver%C3%A4ndert [Zugriff am 29.09.2024].
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Tag 7: Montag, 23.09.2024 - Hochwasser (Kanderdurchstich, Thun)
Mit dem
Regenschirm fest in der Hand ging es für uns heute zu unserem Startpunkt nach
Hani, ein Dorf, welches nach einer kurzen Kartenrecherche (Abb. 1), auf ca. 600
Höhenmeter liegt. Das Thema des Tages
war der Kanderdurchstich und seine heutigen Auswirkungen, mit dem wir uns bei
einer kleinen Wanderung von Hani bis zum Schloss Thun
auseinandersetzten.
![]() |
Abbildung 1: Kartenrecherche (Eigene Aufnahme: Michelle Corn, 23.09.2024) |
Highlight des Tages
Das
Motto des Tages war für uns der Satz, den Margreth ganz am Anfang sagte: "Die
Probleme von heute waren die Lösungen von gestern."
Was uns schon zu unserem ersten Highlight führt. Wir fanden es äußerst interessant, wie man vor über 300 Jahren auf die Idee kam, die Kander umzuleiten. Vor 1714 floss die Kander in ihrem damaligen Flussbett (heutige Ableitung des Glütschbachs, welche sich zu Beginn entlang der heutigen Autobahn Richtung Bern erstreckte) und mündete zwischen Thun und Uttigen in die Aare. Da es regelmäßig zu Überschwemmungen kam und es Flächen gab, welche nicht bewirtschaftet werden konnten, weil die Kander sich immer einen neuen Weg suchte, kam man auf die Idee, die Kander umzuleiten und den Strättlihügel abzutragen und später einen Stollen in Richtung Thunersee zu errichten. Da dieser Stollen allerdings nach der Umleitung aufgrund von Erosion einbrach, gibt es diesen heute nicht mehr (Abb. 2).
Abbildung 2: Kanderdurchstich (Eigene Aufnahme: Andreas Mayer, 23.09.2024) |
An der Kander entlang zum Thunersee zu spazieren war sehr interessant. Wir bekamen immer wieder Informationen, was dieser Durchbruch an gewissen Stellen für Auswirkungen hatte,. Welche Folgen hatte die Aufschüttung des Deltas, und wie führte diese Veränderung zur Hochwassersituation in der Stadt Thun? Früher dachte man also, dass der Stollen eine gute Lösung wäre, danach fand man allerdings heraus, dass neue Probleme aufgrund des Kanderdurchstichs entstanden. Das zweite Highlight war für uns die Messlatte zum Hochwasser. In nur sechs Jahren (1999-2005!!!) kam es zu zwei Hochwasserereignissen, welche einen Wasserstand erreichten, der über einem statistischen 300-jährlichen Hochwasser liegt (Abb. 3). Es war besonders aufschlussreich die Markierungen der verschiedenen Hochwasserereignisse zu sehen und diese Linien in Richtung Stadt weiter zu verfolgen. Es ist einfach unglaublich, wenn man sich vorstellt, wieviel einfach unter Wasser stand und wie groß das Schadensausmaß war. Man erkennt schon bei einigen neueren Häusern Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise erhöhte Lüftungsrohre, welche wir bei Beobachtungen entdeckten.
![]() |
Abbildung 3: Messlatte zum Hochwasser (Eigene Aufnahme: Sara Rainer, 23.09.2024) |
Lessons Learned
Im
Laufe dieses Tages gab es für uns einige Aha-Momente, besonders bei Margreths
Informationen des Deltas beim Thunersee (Abb. 4). Begriffe wie bottom-set (horizontale feinkörnige Ablagerungen), fore-set(die Böschungsschicht hat eine gewisse
Neigung) und top-set (Deckschicht an der Deltaebene) wurden nun
verständlicher. Auch die Deltaarme waren gut erkennbar und dadurch, dass wir
uns auch vor Ort umschauen konnten, wurde unser Wissen wie diese entstehen
erweitert.
![]() |
Abbildung 4: Delta beim Thunersee (Eigene Aufnahme: Sara Rainer 23.09.2024) |
Was wir auch nicht wussten, ist, dass man versucht, den Seespiegel mit Hilfe von Schleusen und Stollen (gebaut nach dem Ereignis von 2005) zu senken, um in Zukunft dramatische Schäden zu vermeiden. Abbildung 5 zeigt, wann welche Mittel zur Schadensminderung in Thun eingesetzt werden. Es muss aber auch immer an die Menschen im nächsten Dorf oder in der nächsten Stadt gedacht werden, damit diese durch die Maßnahmen in Thun keine Hochwasserprobleme bekommen.
![]() |
Abbildung 5: Maßnahmen zur Schadensreduzierung (o. A., o. D.) |
Abschließend lässt
sich sagen, dass sich der Satz „Die Probleme von heute waren die Lösungen von
gestern.“ für viele Situationen beispielsweise im Naturgefahrenschutz
übertragen lässt. An jedem Tag dieser Exkursion sprachen wir von verschiedenen
Schutzmaßnahmen, aber ob diese in Zukunft nicht größere Dilemma
verursachen, steht noch in den Sternen.
Tag 8: Dienstag, 24.09.2024 - sozioökonomische Faktoren (Bern)
Heute
ist der Endspurt unserer Exkursion. Wir beginnen den Tag mit einer etwa 30
Minuten dauernden Busfahrt von der letzten Unterkunft in Thun (Steffisburg) nach
Bern im gleichnamigen Kanton.
Während
der Busfahrt erfahren wir von unserer Exkursionsleitung einige Daten zu
sozioökonomischen Strukturen in der Bundesstadt Bern, die Hauptstadt in der Schweiz. So beträgt die ständige Wohnbevölkerung in Bern
etwa 137.000 Personen und in dem Raum der Agglomeration Bern (inkl. Stadt Bern) sind es
rund 426.000 Menschen (Zahlenwerte nachträglich entnommen vom Bundesamt für
Statistik (BFS), Stand Ende 2023). In Bern befinden sich viele Bereiche der Schweizer
Bundesverwaltung. Weiters sind in der Stadt Botschaften, Forschung, Pharmaindustrie und
andere Industrieunternehmen aus der Elektro und IKT-Branche, sowie Sozial- und
Gesundheitsdienstleister*innen angesiedelt. Fast 60% der Beschäftigten aus der
Agglomeration arbeiten in der Stadt Bern, was auf einen hohen Pendlerstrom in
die Bundesstadt hinweist.
Wir
fahren an Gebäuden aus den 1950er Jahren, etwas später an modernen Häusern und
Villen und an der Österreichischen Botschaft vorbei und erhaschen einen kurzen Blick
auf den, uns bereits bekannten Fluss Aare. Wir erreichen um etwa 9 Uhr die
Innere Stadt mit ihren fünf Quartieren (≙
Stadtteilen), die wir zu Fuß erkunden werden. Die Innere Stadt ist
die formelle Bezeichnung für die Altstadt von Bern. Ende des 12. Jhd.
wurde Bern vom Herzog Berchtold V gegründet. Nach einem Großbrand anfangs des
15. Jhd. von mehreren hundert Holzhäusern und mit zahlreichen Todesopfern
wurden die Häuser aus lokal gewonnenen Sandsteinen wiederaufgebaut und mit
Laubengängen (Arkaden) ergänzt. Der Ausbau der Altstadt ging weiter und der
mittelalterliche Charme ist geblieben. 1983 wurde die Berner Altstadt in die
Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.
Unser
Erkundungsrundgang beginnt nun am Bundeshaus, in dem das Schweizer Parlament
residiert. Abb. 1 zeigt einen Blick von der Bundesterrasse am Bundeshaus
in Richtung Süden. Am oberen Rand in Abb. 1 ist der Gurten sichtbar, der auf eine glaziale Überprägung des Molassebeckens im Berner Umland
hindeutet.
![]() |
Abbildung 1: Blick von der Bundesterrasse am Bundeshaus nach Süden.
Foto: Andreas Bregulla. |
Wir
setzen unsere Tour fort und schlendern anfangs durch den Wochenmarkt am
Bundesplatz, auf dem dienstags und samstags frische Lebensmittel aus der Region
angeboten werden.
Bei
kleinen Zwischenstopps können wir in die Geschichte der Stadt eintauchen, z.B. ein restauriertes Fachwerkhaus in der Brunngasse (nach dem Großbrand im. 15. Jhd.)
oder das imposante Kornhaus, in dem im 18. Jhd. Getreide und Wein eingelagert
wurden, bestaunen. Heute wird das Kornhaus multifunktional genutzt. Weitere Highlights
sind das Rathaus, in dem politische Entscheidungen für die Stadt und den Kanton
Bern getroffen werden sowie das weit über die Dächer der Stadt herausragende
Berner Münster. Es ist die größte sakrale Kirche in der Schweiz.
Beim
Queren der zahlreichen Gassen in der Altstadt fallen uns die vielen künstlerisch
gestalteten Brunnen mit Trinkwasserqualität auf. Die Brunnen wurden teilweise
schon im Mittelalter errichtet. Sie sind Zeugen für eine hohe Lebensqualität in
der Stadt, bereits vor einigen Jahrhunderten. Des Weiteren erfahren wir, dass
das Abwasser aus den Häusern auch bereits zu dieser Zeit über ein
unterirdisches Kanalsystem abgeleitet wurde.
Im
Matte-Quartier (Schwarzes-Quartier), Innere Stadt, angekommen begegnen wir dem
Element Wasser, dieses Mal mit seinen zwei unterschiedlichen ›Gesichtern‹.
Der Grund dafür ist die Teilableitung des Aarewassers in einen im 19. Jhd.
gebauten Kanal an der natürlichen Steilschwelle der Aare zur Stromerzeugung.
Das ist die wertschöpfende und nützliche Eigenschaft des Wassers (vgl. Abb. 2).
![]() |
Abbildung 2a: Blick von der Münsterpromenade auf die Aare
und den Kanal. Foto: Andreas Bregulla. |
![]() |
Abbildung 2b: Blick vom Kraftwert entlang des Kanals in Richtung Steilstufe. Foto: Andreas Bregulla. |
Auf
der anderen Seite ist Matte beim Hochwasser besonders gefährdet, da das
Kanalwasser dann regelmäßig über die Ufer austritt und das Quartier
überschwemmt wird. In einer Grafik, des Schweizer Bundesamtes für Umwelt
(BAFU), wurde für die Beobachtungsperiode 1918 – 2015 an der Aare in Bern eine
geschätzte Kennlinie für die Hochwasserwahrscheinlichkeit mit einem
95%-Vertrauensintervall ermittelt. Ergebnis: Es gab in dieser Periode vier
Extremhochwasserereignisse mit einer Überschreitung der 30 jährlichen Abflussmarke.
Zwei Extrema, eines im Jahr 1999 mit 613 m3/s Abfluss und das andere
im Jahr 2005 mit 605 m3/s Abfluss, überschritten sogar die
geschätzte Wiederkehrperiode von 150 Jahren und das in einem Zeitraum von nur 6
Jahren. In Anbetracht der Häufigkeit dieser Extremereignisse kann der
anthropogene Einfluss auf das Klima kaum unberücksichtigt bleiben.
Wir
fragen uns jetzt, wie Menschen, die hier leben oder arbeiten ihre Häuser vor
dem Hochwasser schützen?
Wir
gehen weiter in Richtung der ältesten Brücke, Untertorbrücke (neu erbaut um 1461-89),
über die Aare und werden fündig. Der Hochwasserschutz besteht aus gemauerten
Mauern oder Führungsschienen für die Aufnahme von mobilen Absperrplatten vor
den Hauseingängen sowie massiven Abdeckungen vor tiefliegenden Fenstern bzw.
Gebäudeöffnungen. Die Fotoreihe in Abb. 3 zeigt den erwähnten Objektschutz, der
in Bern von der Bevölkerung selbst zu finanzieren ist.
![]() |
Abbildung 3: Objektschutz beim Hochwasser in
Matte-Quartier. Fotos: Andreas Bregulla, mit roten Pfeilen ergänzt. |
Kommentare
Kommentar veröffentlichen