Exkursionstagebuch

Die Teilnehmenden der Exkursion haben für jeden der Tage (17.-24. September 2024) einen "Tagebucheintrag" erstellt. Die Links in den Überschriften führen zu den jeweils zugehörigen  Themenausarbeitungen, z.B. zum Blogeintrag über Bergstürze.

  • Tag 1: Dienstag, 17.09.2024 - Risikomanagement, Hochwasser & Geologie (Lustenau & Triesen)
  • Tag 2: Mittwoch, 18.09.2024: Bergsturz, Lawinen & sozioökonomische Faktoren (Flims & Andermatt)
  • Tag 3: Donnerstag, 19.09.2024 - Permafrost & Gletscher (Furkapass & Aletschgletscher)
  • Tag 4: Freitag, 20.09.2024 - Murgänge & Bergstürze (Illgraben & Randa)
  • Tag 5: Samstag, 21.09.2024 - Lawinen, Muren & Wasserkraft (Guttannen & Grimselpass)
  • Tag 6: Sonntag, 22.09.2024 - Bergsturz & Rutschung (Kandersteg, Spitze Stei)
  • Tag 7: Montag, 23.09.2024 - Hochwasser (Kanderdurchstich, Thun)
  • Tag 8: Dienstag, 24.09.2024 - sozioökonomische Faktoren (Bern)


Beiträge der Exkursionsteilnehmer:innen sortiert nach Tagen, bearbeitet von Margreth Keiler, Andreas Mayer, Sophie Stoffl und ChatGPT.

Tag 1: Dienstag, 17.09.2024 - Risikomanagement, Hochwasser & Geologie (Lustenau & Triesen)

Jan Kreusel & Leon Frimmel

Risikomanagement & Gefahrenzonenplan-Vortrag:

Uns wurde eine kurze Einführung in das Risikomanagement und die Gefahrenzonenplanung der Schweiz im Vergleich zu Österreich gegeben. Das Risikomanagement dient der Analyse und Bewertung von Risiken, um menschliche Verluste und ökonomische Schäden zu mindern. Das Managementkonzept umfasst die Risikoanalyse (,was kann passieren?'), mit der Analyse von Gefahren, Exposition und Vulnerabilität, um ein mögliches Schadensausmaß in der Zukunft festzustellen, meist anhand von Differenzierung in Szenarien, in der beispielsweise die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses analysiert wird. Weitere Schritte sind die Risikobewertung ('was darf passieren?') und Risikobewältigung und -vorbeugung, welche z.B. die Elemente der Warnung, Alarmierung, Wiederbau, Prävention und Vorsorge integrieren. 

Die Gefahrenzonenpläne in Österreich werden für die Prozesse Lawinen und Wildbäche sowie Hochwasser/Überschwemmungen erstellt. Zentrales Element in der Abgrenzung der unterschiedlichen Gefahrenzonen ist die Eintrittswahrscheinlichkeit sowie die Intensität des Prozesses, wobei für Lawinen und Wildbäche ein 150-jährliches Ereignis und für Hochwasser ein 100-jährliches Ereignis berücksichtigt wird. In der Schweiz werden die Gefahrenzonenpläne durch eine Matrix aus den Variablen Intensität und Wahrscheinlichkeit definiert. Die daraus abgeleiteten Zonen bilden die Ausbreitung der jeweiligen Prozesse ab, liefern aber keine zusätzlichen Informationen zu Schadenspotential und Vulnerabilität.  Die Gefahrenzonenpläne werden in beiden Ländern in der Raumplanung berücksichtigt, mit Bauverbotszonen oder Auflagen in der Nutzung. 

Hochwasser-Vortrag:

Es wurde ein Vortrag über die Hochwasser Situation im Allgemeinen und am Rhein im Speziellen gehalten. Die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen eines Hochwassers hängt mit der Variabilität von atmosphärischen Ereignissen und der Heterogenität der Flusslandschaft zusammen, die sich dynamisch – z.B. durch Verbauungen im Hochwasserschutz - verändert. Ein wesentliches Unterscheidungskriterium von Arten von Hochwasser kann das zeitliche Muster sein: es wird unterschieden in Sommerhochwasser und Winter- bzw. Frühjahrshochwasser. Erstere können bei langanhaltenden Starkregen und wenn die Böden gesättigt oder bereits durchfeuchtet sind, auftreten. Winterhochwasser können durch Regen auf schneebedeckten oder gefrorenen Böden entstehen. Die Frühjahrshochwasser hängen mit einem Temperaturanstieg im Frühjahr zusammen, der neben den potenziellen Niederschlägen einen zusätzlichen Abfluss durch die Schneeschmelze verursacht. 

Abbildung 1: Illustration des Rheinverlauf von der Quelle bis zum Bodensee (Fotoaufnahme: Jan Kreusel, 17.09.2024)
Lustenau: Rhein-Schauen

In der Gemeinde Lustenau in Vorarlberg ist ein Museum mit einer Ausstellung zu dem Thema der Veränderungen des Rheins, der Hochwasserereignisse und die Entwicklung des Schutzes vor Hochwasser durch Verbauungen. Martin Weiss, ehemaliger Rheinbauleiter und Hochwasserschutzexperte, führte uns durch die Ausstellung. Es wurde über historische, katastrophale Hochwasserereignisse diskutiert, die in den Jahren 1342, 1565 und 1762 auftraten. Bei Berücksichtigung aller dokumentierten Ereignisse ergibt sich eine statistische Wahrscheinlichkeit von katastrophalen Hochwasserereignissen mit einer Jährlichkeit von 200-250 Jahren. Daraus lässt sich ableiten, dass in der Zukunft wieder Hochwasserereignisse mit diesem Ausmaß auftreten könnten. Der Fluss führt Geschiebematerial in Korrelation zum Sohlgefälle und Fließgeschwindigkeit mit, das sich an verschiedenen flacheren Stellen am Gleithang ablagern kann. 

Abbildung 2: Rheinvorstreckung (Fotoaufnahme: Jan Kreusel, 17.09.2024)

Da einige Verbauungen mit Hochwasserdämmen und Durchstiche am Rhein getätigt wurden, ist der Laufweg des Gewässers verkürzt. Dies führt auch dazu, dass sich das Material in großen Mengen in den Bodensee in den damals neuen Mündungsbereich ablagert wird. Die Rheinvorstreckung ist eine weitere künstliche Baumaßnahme, damit der Feststoffgehalt in tiefere Bereiche des Bodensees abgelagert werden kann und sich nicht mehr am Mündungsbereich ablagert. Durch diese Maßnahme konnte mehr Nutzfläche (z.B. für die Landwirtschaft oder Siedlungen) gewonnen werden. Nachteile finden sich im erhöhten Risiko durch Hochwasser, falls die Dämme überflossen werden oder brechen, sowie im Rückgang der Artenvielfalt. Besprochen wurde unter anderem das Projekt Rhesi, das für Rhein, Erholung und Sicherheit steht und verschiedene Aspekte integriert. Im Rahmen des Rhesi-Projekts wird daher die Flusslandschaft umgestaltet.

Abbildung 3: Rhesi-Projekt - Baumaßnahmen zur Umgestaltung des Rheingebiets für den Hochwasserschutz und zur Erhaltung der Artenvielfalt (Fotoaufnahme: Jan Kreusel, 17.09.2024)

Geologie-Vortrag:

Wir hatten eine kurze Einführung in die Geologie der Schweiz. Diese wird in drei geologische Großregionen eingeteilt. Die Alpen im Süden nehmen in etwa 60% der Landesfläche ein. Das Mittelland hat einen Flächenanteil von etwa 30% und besteht aus vielen Hügellandschaften. Geologisch bedeutsam sind hier die Molasse-Sedimente, die im Tertiär durch Senkungsvorgänge im Kontext der Alpenbildung durch Überflutungen entstanden. Das Juragebirge im Norden der Schweiz, benannt für das geologische Zeitalter Jura, entstand durch Sedimentablagerungen aus Kalk, Mergel und Ton im Flachmeer der Tethys und eine plattentektonische Auffaltung im Pliozän. Der Schweizer Alpenraum wird in mehrere tektonische Einheiten unterteilt. Es dominieren die Helvetica-Decke (nördlich) und das Penninikum (südlich), die ostalpine Decke kommt untergeordnet vor. Im Vergleich nimmt die ostalpine Decke eine große Fläche der österreichischen Alpen ein.

Letzter Stopp Liechtenstein: Diskussion Unterschiede der Verbauungsmaßnahmen am Rhein in Liechtenstein und Lustenau (Vorarlberg):

In Lustenau erkannten wir, dass die Verbauungsmaßnahmen am Rhein aus zwei Dämmen bestanden. Der innere Wall diente zur Begradigung und Verschmälerung des Querschnitts und somit zur Beschleunigung der Fließgeschwindigkeit im Fluss, wohingegen der zweite, höhere Damm am Rand als Hochwasserschutz dient. Anders ist es in Liechtenstein, hier ist lediglich ein Damm pro Flussseite vorzufinden. Der Rhein weist dort einen breiteren Querschnitt auf und das gesamte Gerinne kann mehr Wasser fassen als in Lustenau. Allerdings ist in Liechtenstein das Problem, dass der Damm bei einem starken (300 jährlichem) Ereignis brechen könnte. Bei einem Dammbruch im Süden and der Landesgrenze würden Schätzungen zufolge 22% des Landes überflutet werden. Der Schaden würde das BIP um 144% übersteigen. Ohne Hilfe aus dem Ausland wäre es nicht möglich diesen Schaden zu reparieren. Deshalb wird stark an der Sanierung unterschiedlicher Dammabschnitte gearbeitet. Da Wasser bei Hochwasser durch den Damm sickert und es dadurch zur Erosion an der Luftseite kommen könnte werden drei verschiedene Unterstützungsmaßnahmen durchgeführt: Der Zubau einer Stützmauer (kostenintensiv aber benötigt wenig Platz), Aufschüttung mit Kies, wodurch das Wasser abfließen kann (viel Platz, aber günstiger) oder der Einbau einer Trennmauer im Damm selbst (aufwändig).

Abbildung 4: Verbauung am Rhein in Liechtenstein (Fotoaufnahme: Leon Frimmel, 17.09.2024)

Abbildung 5: Damm-Verbauungen am Rhein in Lustenau (Fotoaufnahme: Jan Kreusel, 17.09.2024)

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Tag 2: Mittwoch, 18.09.2024: Bergsturz, Lawinen & sozioökonomische Faktoren (Flims & Andermatt)

Maike Krist & Ben Pepin

Orte: Flimser Bergsturz, Rheinschlucht, Andermatt

Am 18.09.2024 führte unsere Exkursion zu zwei geologisch und wirtschaftlich bedeutenden Orten der Schweiz: dem Gebiet des Flimser Bergsturzes und der Rheinschlucht sowie Andermatt. Ziel war es, die geomorphologischen Prozesse des Bergsturzes und der fluvialen Dynamik des Rheins zu verstehen sowie die Raumnutzung und sozioökonomischen Entwicklungen in Andermatt zu analysieren.

Der Flimser Bergsturz und die Rheinschlucht: Dynamik und geomorphologische Prozesse

Der Flimser Bergsturz, der vor etwa 9.500 Jahren stattfand, gilt als das größte bekannte Bergsturzereignis in den Alpen. Mit einem geschätzten Volumen von etwa 8 bis 15 Kubikkilometern, mit dem er deutlich die untere Grenze für Bergstürze von 106 m³ überschreitet, gehört er zu den bedeutendsten Massenbewegungen der alpinen Region. Die genauen Ursachen des Bergsturzes werden in der Literatur diskutiert, doch ein Erdbeben als auslösender Faktor wird als wahrscheinlich angenommen. Besonders interessant ist die zeitliche Nähe zu anderen Bergstürzen, wie beispielsweise dem Bergsturz von Köfels (Tirol, AT), was auf eine Phase erhöhter tektonischer Aktivität, wie etwa einem großen Erdbeben, in dieser Region hinweisen könnte.

Abbildung 1: Flimser Bergsturz (Aufnahme: Maike Krist)

Abbildung 2: Material im Ablagerungsgebiet: Plattenartiger Kalk aufgrund der Bewegung durch den Bergsturz (Aufnahme: Maike Krist)

Die Sturzmasse lagerte sich über eine Fläche von rund 52 km² ab und führte zur Umgestaltung des gesamten Talsystems (Abb. 1). Die Rheinschlucht wurde durch die spätere fluviale Erosion des Vorderrheins in die Bergsturzmassen geschnitten. Das ausgeprägte System von Mäandern verdeutlicht die komplexe Interaktion zwischen erosiven und akkumulativen Prozessen. In Bezug auf die Mäander wurde die Frage gestellt, wann diese durchbrochen werden könnten. Interessant war die gemeinsame Diskussion, dass dieser Prozess in Abhängigkeit von Geologie, Fließgeschwindigkeit und Extremereignissen voranschreiten wird. Veränderungen werden hauptsächlich während großen Ereignissen geschehen, und es wurde spekuliert ob ein Durchbruch vielleicht noch in der Lebensdauer der Studierenden erfolgen kann.

Abbildung 3: Mäandrierender Fluss mit Prall- und Gleithängen (Aufnahme: Maike Krist)

Schlussendlich haben also fluviale Prozesse zur Tiefenerosion des Rheins beigetragen und prägen das heutige Talbild. Die Rheinschlucht stellt ein eindrucksvolles Beispiel für fluviale Erosion und postglaziale Landschaftsformung dar. Auffallend waren die Prall- und Gleithänge, die die Dynamik des Flusses verdeutlichten (Abb. 3). Prallhänge sind dabei steilere Abschnitte der Flussschleifen, die intensiver erodiert werden, während an den Gleithängen eine sedimentäre Ablagerung stattfindet.

Analysiert wurden auch die Tomahügel. Die isolierten Hügel in der Talebene, die aus Bergsturzmaterial bestehen, sind ein Indiz für die Art der Ablagerung und den Transport der Bergsturzmasse durch den Fluss. Es stellt sich heraus, dass es vor dem Flimser Bergsturz bereits ein kleineres Ereignis in der Nähe von Tamins gab, der als Damm für einen See diente. Während dem Flimser Bergsturz, wurden die Ablagerungen von Tamins überflutet und das Material in den unteren Verlauf transportiert. Die Verkleinerung der Tomahügel nach Osten zeigt den gerichteten Transport des Materials durch den Flusslauf an. Diese Prozesse dokumentieren den Wechsel zwischen Akkumulation und Erosion in der Region. Ergänzend wurden plattenartige Strukturen im abgelagerten Material festgestellt, die auf die Dynamik des Bergsturzes hinweisen (Abb. 2).

Anschließend wurde die Entstehung des flachen Talbodens westlich der Bergsturzablagerungen diskutiert, der auf eine vorübergehende Bildung des Illanzer Sees infolge der Aufstauung des Rheins durch das Bergsturzmaterial zurückzuführen ist. Durch Erosionsprozesse des Vorderrheins wurde dieser See wieder entleert. Diese Phase der Akkumulation im See und in der Flusslandschaft6 ermöglichte die flächige Sedimentation und führte zu einer markanten Verflachung der Talsohle.

Andermatt: Raumnutzung und wirtschaftliche Transformation

Abbildung 4: Das Bergdorf Andermatt (Aufnahme: Ben Pepin)

Der zweite Teil des Exkursionstages führte uns nach Andermatt (Abb. 4), einem kleinen Bergdorf im Kanton Uri, das in den letzten Jahren eine städtebauliche und wirtschaftliche Transformation durchlaufen hat. Die Lage und Ausdehnung von Andermatt ist von jeher stark durch Lawinen und Hochwasser eingeschränkt und hat somit eine lange Tradition im Umgang mit diesen Naturgefahren (z.B. Bannwald und aktuell Nutzung des Golfplatzes als mögliche Retentionsfläche bei Hochwasser). Andermatt ist im Laufe der letzten 200 Jahren stark vom Verkehr über und unter dem Gotthardpass beeinflusst worden. So hat der Gotthard-Straßentunnel dafür gesorgt, dass das Dorf ab den 1980er Jahren stark vom Verkehr beruhigt wurde. Im Zuge der Schließung der Gotthard-Festung und des Rückzugs der Schweizer Armee in den 1990er Jahren erlebte Andermatt eine wirtschaftliche Krise. Mit einem initiierten Projekt einer touristischen Großentwicklung änderte sich die wirtschaftliche Perspektive des Ortes. Auf dem ehemaligen Militärgelände entstand ein modernes Resort, das wie ein eigenes Dorf angelegt wurde. Das Projekt umfasst den Bau von Hotels und Apartments, welche sich um einen zentralen Dorfplatz gruppieren. Die neuen Gebäude reflektieren unterschiedliche Architekturstile, die Teile der Schweiz repräsentieren sollen, und bieten ein vielfältiges Wohn- und Freizeitangebot (Abb. 5 & Abb. 6).

Abbildung 5: Die neuen Gebäude in unterschiedlichen Architekturstilen (Aufnahme: Maike Krist)

Ein markanter Aspekt dieser Entwicklung ist der rechtliche Sonderstatus, den das Resort hat. Während die schweizerische Zweitwohnungsinitiative den Neubau von Zweitwohnungen landesweit untersagt und die sogenannte Lex Koller den Kauf von Immobilien durch nicht in der Schweiz ansässige Ausländer*innen erheblich einschränkt, konnte Andermatt aufgrund einer bereits zuvor erteilten Baugenehmigung weiterhin Zweitwohnungen anbieten. Dies führte zu einer gesteigerten Nachfrage. Wirtschaftlich hat sich Andermatt von einem Bergdorf zu einem touristischen Zentrum entwickelt. Die neu geschaffene Infrastruktur, wie die Tiefgaragen und der eigene Kreisverkehr für Lieferungen, unterstreichen die urbane Dimension des Projekts. So kann das neue Resort de facto unabhängig vom historischen Zentrum funktionieren; man braucht quasi nicht dahin zu gehen. Gleichzeitig steht Andermatt jedoch vor der Herausforderung, preiswerte Wohnungen für die lokale Bevölkerung und die in den Tourismusbetrieben Beschäftigten zu schaffen. Während die Apartments für Zweitwohnungen sehr begehrt sind, besteht ein wachsender Bedarf an erschwinglichem Wohnraum für Dauereinwohner*innen.

Abbildung 6: Plan des Resorts in Andermatt (Aufnahme: Ben Pepin)

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Tag 3: Donnerstag, 19.09.2024 - Permafrost & Gletscher (Furkapass & Aletschgletscher)

Florian Markt & Georg Gottfried

Permafrost (Furkapass)

Wir starteten in den Tag mit einem Beitrag unseres Kommilitonen über Permafrost, geomorphologische Prozesse und Formen im Kontext von Permafrost. Als Permafrost bezeichnet man dauerhaft gefrorenen Boden, der mindestens zwei Jahre in Folge Temperaturen unter 0°C aufweist. Wesentliche Komponenten sind die sommerliche Auftauschicht und der dauergefrorene Bereich. Der Eisanteil im dauergefrorenen Permafrost stabilisiert Felsen und Lockermaterial in Hanglagen. Permafrost ist als solcher äußerlich nicht erkennbar, außer durch wenige geomorphologische Formen, z.B. Blockgletscher. Am Standort sind an der Oberfläche Lobenstrukturen erkennbar (Solifluktion), die auf Permafrost hinweisen und in der Auftauschicht entstehen (Abb. 1). Die Solifluktionsloben sind in höheren Lagen schuttbedeckt und in tieferen Lagen mit Vegetation bedeckt. Wir hörten auch, dass der Klimawandel starken Einfluss auf alpinen Permafrost nimmt und diesen immer mehr auftauen lässt. Dies bringt erhebliche Risiken mit sich, da Felsstrukturen, die durch das Tauen des Permafrosts ihre Stabilität verlieren, Felsstürze und Muren auslösen können.

Abbildung 1: Solifluktionsloben am Furkapass. Andreas Mayer. 19.09.2024

 Rhonegletscher

Am späteren Vormittag wanderten wir gemeinsam zum Rhonegletscher, einem der bekanntesten Gletscher der Schweiz im Kanton Wallis. Aus ihm entspringt der gleichnamige Fluss. Der Rhonegletscher hat eine Länge von zirka acht Kilometern und eine Fläche von zirka 15 Quadratkilometern. Wie alle alpinen Gletscher schrumpft der Rhonegletscher seit spätestens dem 19. Jahrhundert massiv. Seine ehemalige Mächtigkeit lässt sich an der Lage der höherliegenden Seitenmoränen erkennen. Die beobachteten Geländeformen lassen jene Bereiche erkennen, welche durch die glaziale Erosion abgeschliffen bzw. abgerundet wurden, als sie noch unter dem jetzt abgeschmolzenen Teil des Gletschers lagen. Häufig bilden sich beim Gletscherrückgang Gletscherseen aus, wie wir am Rhonegletscher beobachten konnten (Abb. 2). 

Abbildung 2: Rhonegletscher und Gletschersee. Florian Markt. 19.09.2024

Großer Aletschgletscher

Nachmittags erreichten wir dann per Gondel und einer kurzen Wanderung den großen Aletschgletscher. Der große Aletschgletscher ist mit einer Länge von ca. 20 Kilometern und einer Fläche von ca. 78 Quadratkilometern der größte Gletscher im Alpenraum. Er dient als wichtige Wasserressource für die Region, da das Wallis zu den inneralpinen Trockentälern zählt. Klimawandelbedingt verkürzt sich seine Gletscherzunge jährlich ca. um 50 bis 80 Meter. Ein besonderes Merkmal bei diesem Gletscher ist, dass er von drei mächtigen Gletschern (lokale Bezeichnung Firn) gespeist wird. Diese (Aletschfirn, Jungfraufirn und Ewigschneefeld) fließen am sogenannten Konkordiaplatz zusammen und bilden gemeinsam den großen Aletschgletscher. Dieser Zusammenfluss der drei Gletscher ist durch die zwei mittleren Seitenmoränen besonders gut zu erkennen.

Abbildung 3: Großer Aletschgletscher. Florian Markt. 19.09.2024

Rutschung Moosfluh

An den Hängen von der Mossfluh zum Gletscher wurde aufgrund der Druckentlastung durch den Rückzug des Aletschgletschers die sehr große, tiefliegende sogenannte Moosfluh-Rutschung reaktiviert. In der Mitte 2000er kam es zu einer Beschleunigung der Rutschungsbewegung, welche seit 2016 eine sehr hohe Aktivität aufweist und eindrücklich im Gelände durch Nackentälchen und Spalten in den Hängen zu sehen ist.  

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Tag 4: Freitag, 20.09.2024 - Murgänge & Bergstürze (Illgraben & Randa)

Lukas Beer & Xenia Waibl

Im Folgenden werden das Erlebte, Gelernte und die „Key-Takeaways“ des Freitags auf der Schweiz Exkursion geschildert. Die wissenschaftlichen Vorträge fanden mit Blick auf das Einzugsgebiet des Illgrabens und am Bergsturzgebiet von Randa statt.

In Abbildung 1 ist der Illgraben dargestellt, der durch ein inneralpines Klima mit Niederschlägen von unter 500mm/a, jedoch sommerlichen Starkregenereignissen und überdurchschnittlich hohen Jahrestemperaturen für den Alpenraum, gekennzeichnet ist.

Abbildung 1: Übersicht Illgraben (Eigenaufnahme, Lukas Beer)

Das Einzugsgebiet des Illgrabens ist aus geologischer und geomorphologischer Sicht sehr gut untersucht. Global befindet sich hier eines der besten Monitoring Systeme, da eine hohe Frequenz von zwischen drei und acht größeren Murgängen pro Jahr auftreten können. Dieses Überwachungssystem wurde nach einem Extremereignis 1961 errichtet, nachdem sich aufgrund der Ablagerungen ein See bildete, neben dem großflächige Zerstörung auftrat.

Bei dem ersten Stopp in Leuk erfolgte neben einer Übung zu den geologischen Eigenschaften des Illgrabens ein Vortrag, bei dem es um die Prozesse, sowie die Historie der Murabgänge ging. Spannend war die Größe des Einzugsgebietes mit etwa 14km² und der engen Schlucht am Kegelhals, die durch härteren Muschelkalk entstanden ist, während das restliche Einzugsgebiet vorwiegend aus Kieselkalkstein besteht. Außerdem war die größere Neigung an der Spitze des Murkegels interessant, die durch Berg- oder Felsstürze entstanden ist.

Abbildung 2: Schichtung im Illgraben (Eigenaufnahme, Lukas Beer)

Später wurde der Murkegel begangen und als die Hängebrücke über dem Illgraben erreicht wurde, konnte die gelbliche Färbung des Ablagerungsmaterials besprochen werden, sowie auch der Eintrag des Materials in die Rhone. Sturzprozesse bringen Material in das Gerinne des Illgrabens, welches bei Niederschlagsereignissen mittels Murgänge weiter abtransportiert wird. Die Transportgeschwindigkeit kann am Ilgraben bis zu 5m/s erreichen. Die Ablagerungen erfolgen schichtweise, wie in Abbildung 2 zu erkennen ist, bei denen Abfolgen von Murgangereignissen mit gröberen und feineren Blöcken und Körnen zu erkennen ist. Ebenfalls ist hier ein Prallhang zu erkennen, der starker Erosion unterliegt. Teilweise kann bei hohen Muren oder Hochwasserwellen auch Vegetation angegriffen werden.

In Abbildung 3 ist die erwähnte Hängebrücke, sowie Teile der Einzugsgebietsbegrenzung zu sehen. Im Verlauf der Besprechung wurden weitere Gefahren diskutiert, bei denen unsere Exkursionsgruppe Waldbrand, Felsstürze und Murgänge erörterte.

Abbildung 3: Hängebrücke (Eigenaufnahme, Xenia Waibl)

Nach der Diskussion der Prozesse und Entwicklungen am Illgraben fuhren wir ins Mattertal nach Randa, um dort den Bergsturzprozess und andere Naturgefahren zu besprechen. In Abbildung 4 ist die aktuelle Ablagerung des Bergsturzes zu erkennen.

Abbildung 4: Bergsturz Randa (Eigenaufnahme, Lukas Beer)

Der Bergsturz erfolgte im Jahr 1991 in zwei Teilen (April und Mai) und ist hauptsächlich auf geologische und tektonische Faktoren zurückzuführen. Im Felsen findet sich eine Auflagerung von Paragneis und Orthogneis, an den Schwächezonen konnten sich Spalten und Klüfte ausbilden, welche einen wichtigen Faktor in der Disposition für den Prozess bilden. Der Bergsturz erfolgte staffelweise in 3 Etappen über etwa einen Monat, was zu dem Diskussionspunkt führte, ob es sich nicht um aneinandergereihte Felsstürze handelt, die nicht zusammengefasst als Bergsturz bezeichnet werden sollten. Es gab einen Ankündigungsprozess durch erhöhten Wasserdruck in den Spalten sowie deren Ausdehnung von bis zu 1,5m im Bergmassiv, welche in der Regel Bergstürze ankündigen. Die extremen Bedingungen im Jahr 1991 führten zu einer Stauseebildung durch die Ablagerungen. Spannend ist Randa durch seine „all hazards - one place“ Lage, da Randa durch Lawinen, Muren, Gletscherabbrüchen und Bergstürzen bedroht ist. In Abbildung 5 und 6 sind diese zu erkennen.

Abbildung 5: Weißhorn (Eigenaufnahme, Xenia Waibl)

Die „Key-Takeaways“ des Exkursionstages bestanden in einem Prozessverständnis, welches für die Anwendung in der Praxis notwendig ist, sowie auch zum Ereignisablauf, welcher vielfältigen Einwirkungen unterliegt. Wir haben gelernt, dass ein breit gefächertes Wissen von Relevanz ist. Die Realität ist meist weitaus komplexer als der theoretische Prozess, welcher im Hörsaal vermittelt wird. Gleichzeitig kann durch ein „offenes Auge“ beim Begehen des Untersuchungsgebietes, die übergeordnete Prozessdynamik verstanden werden. In Randa zeigte sich, wie ein Leben unter einer Vielzahl an Naturgefahren möglich ist, die das Dorf von allen Seiten bedrohen. Im Gesamten war der Tag sehr lehrreich, der Blick ins Mattertal wunderschön und wir konnten viele Eindrücke sammeln. 

Abbildung 6: Murkegel durch den Dorfbach auf der Rückseite von Randa (Eigenaufnahme, Lukas Beer)


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Tag 5: Samstag, 21.09.2024 - Lawinen, Muren & Wasserkraft (Guttannen & Grimselpass)

David Spechtenhauser & Aurel Vidali

Lawinen (Obergoms & Guttannen)

Wir haben den Tag in Obergoms bei den dortigen Lawinenverbauungen gestartet. Hier haben unsere Kommiliton:innen einen Vortrag zu Lawinentypen und der -situation vor Ort gehalten. Dabei war es wichtig im Gelände zu erkennen, wo die Gefährdung besteht, an welchen Merkmalen man dies ausmachen kann und wie die Schutzmaßnahmen aussehen oder funktionieren können. Dies konnten wir besonders gut an der Vegetation/den (fehlenden) Bäumen erkennen. Lawinenschneisen weisen oft höchstens einen Jungwaldbestand auf, woraus man ableiten kann, dass dort regelmäßig Lawinen abgehen und die vorhandenen Bäume mitreißen. Lawinen entstehen aufgrund von verschiedenen Parametern, der Meteorologie, der Lage, des Reliefs und der Exposition. Besonders wichtig für die Entstehung der Lawinen sind Windverfrachtung und Temperatur. Sobald Schwachschichten entstehen, was auf viele unterschiedliche Arten passieren kann, können Lawinen etwa als Schneebrett-, Nassschnee-, oder Staublawinen abgehen (Abbildung 1).    

Abbildung 1: Lawinenklassifikationen nach Kienholz et al. 1998, 25.


An unserem Standort in Obergoms wurde eine Verbauung errichtet, die Lawinen geradlinig am Dorf vorbeiführen soll, um Schäden zu minimieren und kontrolliert die gefährdeten Bereiche absperren zu können (Abbildung 2).            
Abbildung 2: Lawinenverbauung in Obergoms. David Spechtenhauser, 21.09.2024

Die Dörfer werden im Tal seitlich auf den Murkegeln gebaut, weil Muren und Lawinen episodisch vorkommen, Hochwasser in den flachen Bereichen des Talbodens dagegen regelmäßiger, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß vorkommen. Des Weiteren gibt es noch permanente oder temporäre Maßnahmen, die die Lawinengefahr reduzieren sollen, erstere sind etwa Lawinenrechen oder ausreichend Bewaldung an den Hängen, aber auch gezielter Objektschutz; dazu zählen unter anderem Sprengungen zur Vermeidung des Aufbaus mächtiger Schneeschichten oder Sperrungen von Gebieten. Überraschend war für uns, wie Lawinen, wenn in der bewegten Schneedecke Langgräser festgefroren sind, bewirken können, dass auch die Grasnarbe verletztet werden kann. Dies kann im Anschluss für mehr Erosion sorgen.

An einem weiteren Standort des Tages, in Guttannen, haben wir besonders über das ortsbezogene Lawinenunglück diskutiert, das im Jahr 1999 das Dorf stark getroffen hat. Anhand der Stangen an der Straße (Abbildung 3) kann die damalige Schneehöhe nach den Ereignissen nachvollzogen werden. Die
Bevölkerung musste evakuiert werden, das Dorf war während drei Wochen nicht über Straßen zu erreichen. Infolge dieses Ereignisses wurden die Lawinenüberwachung ausgearbeitet (IFKIS Interkantonales Frühwarn- und Kriseninformationssystem) und Wetterstationen im Hochgebirge aufgebaut. Besonders eindrücklich war der Gefahrenzonenplan, der uns gezeigt hat, wie das Dorf durch die Lawinengefahr eingeschränkt ist und warum die Bevölkerung auf den Ernstfall vorbereitet ist.

Abbildung 3: Veranschaulichung der Lawinenhöhe in Guttannen von 1999. Aurel Vidali, 21.09.2024.

KWO-Kraftwerke Oberhasli (Grimselpass)

Den restlichen Tag haben wir mit Daniel Bürki von der KWO (Kraftwerke Oberhasli) verbracht, einem Experten für Naturgefahren, der gleichzeitig Leiter der Bauausführung und der Gruppe Fels, Wasser & Eis der KWO ist. Der Grimselpass ist die europäische Kontinentalwasserscheide zwischen Mittelmeer und Nordsee und der Standort des Grimselsees, einer der acht Seen, mit der die KWO Strom produziert und der eine Million Menschen in der Schweiz versorgt. Der Baubeginn war vor hundert Jahren und ist gerade wieder aktuell, weil die Staumauer Spitalklamm ersetzt wird, das heißt in diesem Falle, dass eine zweite Mauer vor der alten gebaut wird, die ihrerseits erhalten bleibt (siehe Abbildung 4). Dies wurde so geplant, weil sie einerseits unter Denkmalschutz steht, andererseits der See so nur für einen geringeren Zeitraum (für den Durchbruch der ersten Mauer) geleert werden muss.  

Abbildung 4: Ersatz der Spitallamm Staumauer in Oberhasli. Aurel Vidali, 21.09.2024.

Der Klimawandel ist für die KWO aus vielerlei Hinsicht wichtig: Es wird erwartet, dass der waterpeak mit 2040/2050 erreicht sein wird. In der Folge wird der Abfluss abnehmen, was zu Einbußen in der Stromproduktion führen könnte. Es ist dementsprechend nicht unerheblich jetzt schon zu wissen, zu welchen Anteilen das genutzte Wasser aus Regenwasser, Schnee oder Gletscherschmelze besteht. Dafür werden Untersuchungen anhand von Isotopen durchgeführt, um herauszufinden, wie sich die Verteilung und damit das Wasservolumen im Laufe der Zeit verändern könnte. Obwohl es sich hierbei um Strom aus erneuerbaren Energien handelt, gibt es dennoch einige Punkte die kritisch zu betrachten sind. Zum einen gibt es einen großen Eingriff in die Natur durch das Aufstauen der Seen und die baulichen Maßnahmen, zum anderen besteht ein Risiko durch das Auftauen des Permafrosts, was zu Felsstürzen in den See und in der Folge zu Flutwellen oder Schäden in der Infrastruktur führen könnte. Außerdem wird durch das Pumpspeicherwerk Strom vor allem für Spitzenzeiten produziert und nicht unbedingt die Energiewende damit vorangetrieben. 

Muren & Permafrost (Ritzlihorn, Rotlouwi, Spreitbach)

Am Beispiel vom Ritzlihorn haben wir eine Messtation für Permafrost besprochen, wobei uns erklärt wurde, wie kompliziert dies aufzubauen und zu finanzieren sei, vor allem wenn in den letzten Jahren keine Ereignisse vorgekommen sind, die der Bevölkerung in direkter Erinnerung geblieben sind. Des Weiteren wurde darüber diskutiert, inwiefern Permafrost tatsächlich für Rutschungs- und Folgeprozesse verantwortlich ist, weil dies stark von der Lage und der Exposition abhängt. In diesem Kontext haben wir uns die Rotlouwi und den Spreitbach angeschaut, in deren Betten mehrmals jährlich Muren vorkommen, welche die Bevölkerung und Gebäude gefährden. Aufgrund dessen mussten in der Gemeinde Guttannen sogar manche Personen umgesiedelt werden, weil es wahrscheinlich ist, dass ihre Häuser von den Großereignissen betroffen werden könnten. Dies hat uns wieder einmal die Verflechtungen zwischen physischer und Humangeographie aufgezeigt. Im Gelände konnte diese Situation anhand der Geschiebeablagerungen gut erkannt und nachvollzogen werden (Abbildung 5). Das Risiko besteht nicht nur ausschließlich für die dortige Bevölkerung, sondern auch für den Verkehr, weswegen eine Galerie inklusive Warnsystem gebaut wurden. Zudem verläuft unterirdisch durch die Gemeinde eine international wichtige Gaspipeline, die aufgrund der Murgänge besonders beobachtet und gesichert werden muss.

Abbildung 5: Geschiebeablagerung an der Mündung des Spreitbachs. David Spechtenhauser, 21.09.2024.

Insgesamt wurde an diesem Tag klar erkenntlich, wie hoch das Schadenpotential durch Muren und Lawinen sein kann. Gleichzeitig ist es schwierig die Ausmaße im Voraus zu bestimmen, weswegen Gefahrenzonenpläne und Frühwarnsysteme für die Bevölkerung von hoher Relevanz sind. Auf der menschlichen Ebene wurde uns auch erklärt, dass solchen Situationen eine starke Zusammenarbeit im Dorf auslösen. Auch die Hilfe von Außerhalb trägt dazu bei, solche Ereignisse und deren Folgen zu meistern. 

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Tag 6: Sonntag, 22.09.2024 - Bergsturz & Rutschung (Kandersteg, Spitze Stei)

Da das Gürbetal aufgrund geomorphoplogischer Aktivitäten behördlich gesperrt war,  stand stattdessen der Spitze Stei oberhalb von Kandersteg auf dem Programm.
Dominik Bauer & Julian Braunstingl

Von Meiringen nach Kandersteg

Heute führte die Exkursion von Meiringen nach Kandersteg und bot umfassende Einblicke in die geomorphologische Dynamik der Region. Der Weg entlang des Brienzer Sees und Thunersees zeigte die landschaftliche Veränderung von den Alpen hin zur Molassezone. Die Übergangszone zur Molassezone am nördlichen Ende des Thunersees zeichnet sich durch eine hügelige Topografie aus, insbesondere in der Region um den Brienzer See.

Historisch betrachtet hat die Region am Brienzer See bereits einige Herausforderungen durch Naturereignisse erlebt. Ein bedeutendes Ereignis war das Hochwasser im Jahr 2005, bei dem fünf Wildbäche, darunter der Glysibach, enorme Wassermassen führten. Im August 2024 kam es zu Ereignissen mit großen Schäden am Milibach, Personen konnten jedoch rechtzeitig evakuiert werden. Amm Lammbach bestand durch das Alter der Schutzbauten – einige über 100 Jahre alt – eine erhöhte Gefahr bei extremen Ereignissen und es wurden dementsprechend neue Schutzmaßnahmen umgesetzt. 

Die geologischen Prozesse rund um den Spitze Stei in der Gemeinde Kandersteg (Kanton Bern) standen heute im Mittelpunkt der Exkursion. Einen tieferen fachlichen Einblick gab uns Irene Kallen, welche Expertin für Naturgefahren und Hydrologie ist. Bereits vor etwa 10.000 Jahren ereignete sich ein Bergsturz, welcher Geschiebe bis nach Frutigen hinab führte. Jedoch weist der Spitze Stei weiterhin eine hohe Instabilität auf, da es sich um eine tiefgründige Rutschung handelt. Besonders relevant sind hier die möglichen Auswirkungen von tauendem Permafrosts und insbesondere der erhöhte Wasserdruck im stark zerrütteten Gestein, die die Hangstabilität weiter beeinträchtigen.

Abbildung 1: Spitze Stei (Eigene Aufnahme Bauer: 2024)

Ein zentraler Punkt der heutigen Erkenntnisse war die detaillierte Analyse von Rutschungen, die als primäre Prozesse die Landschaftsgestaltung in der Region beeinflussen. Rutschungen treten entweder als isolierte Ereignisse auf oder in Kombination mit anderen Sturzprozessen und bilden so einen komplex-dynamischen Prozess. Diese Prozesse werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst, darunter die geologische Zusammensetzung des Untergrunds, die Hangneigung und der Wasserdruck in Spalten oder an Gleitflächen. Insbesondere der Verlust der Scherfestigkeit bei hoher Sättigung und Prozesse der Erosion und Verwitterung spielen eine wesentliche Rolle. Aber auch die Vegetation und anthropogene Einflüsse wirken sich auf die Hangstabilität aus.

Die heute beobachteten Rutschungsbewegungen an der Spitze Stei werden durch verschiedene Messmethoden dokumentiert. Es wurde mittels Bohrungen festgestellt, dass sich die Rutschung nicht nur auf die oberflächennahen Horizonte beschränkt, sondern bis in Tiefen von 60 bis 70 Meter reicht. Schätzungen zufolge bewegt sich eine Masse von etwa 20 Millionen m³. Die Bewegungen erfolgen jedoch nicht einheitlich,
sondern verteilen sich auf drei größere Segmente des Berges. Die Gipfelfront bewegt sich mit etwa 1,5 cm pro Tag, während der westliche Teil des Berges eine deutlich schnellere Bewegung von bis zu 50 cm täglich zeigt.

Abbildung 2: Frontalansicht und Bewegungsrate Spitze Stei (gemeindekandersteg.ch 2024: online).

Zur genauen Beobachtung der Bewegungen wurden moderne Überwachungsinstrumente installiert, darunter Radar, Tachymetrie (30 Spiegel) und autonome GPS-Geräte, welche nach technischer Umsetzbarkeit installiert werden. Leitung der gesamten Überwachung ist die Firma GEOTEST, welche ein breites Spektrum an Dienstleistungen im Bereich der Geowissenschaften abdeckt.

Besonders hervorzuheben ist die Rolle des Wassers als Hauptursache für die Bewegungen. Während der Schneeschmelze und bei Regenereignissen zeigte sich ein deutlicher Anstieg der Bewegungen, was durch die Messinstrumente, v.a. die Tachymetrie, bestätigt wurde. Diese Beobachtungen unterstreichen den Zusammenhang zwischen Wassersättigung und Hanginstabilität.

Ein besonderes Augenmerk galt dem Oeschinensee, der aufgrund der potenziellen Gefahr durch einen weiteren Bergsturz teilweise gesperrt wurde. Die Szenarien für ein solches Ereignis sind vielfältig und reichen von Flutwellen bis hin zu möglichen Evakuierungen. Verschiedene Stakeholder (Bewohner der Gemeinde, Seilbahnbetreiber, Wanderwegbetreiber, Hoteliers als auch Touristen und weitere Akteure) sind deshalb eng miteinander vernetzt um im Krisenfall strukturiert und rasch agieren zu können, wie Frau Loretan, Gemeinderätin in Kandersteg, bestätigt. Diese hat in Zusammenarbeit mit dem Kanton und dem Bund Maßnahmen getroffen, um im Ernstfall vorbereitet zu sein. Neben umfangreichen Krisenplänen für die Anwohner werden auch Touristen durch ihre Unterkünfte oder der Website über die aktuellen Gefahrenlagen sowie möglicherweise gesperrte Wanderwege informiert.

Zusammenfassend verdeutlichte der heutige Tag die enorme Komplexität geomorphologischer Prozesse und ihre potenziellen Gefahren für die Region. Die fortlaufende Überwachung und die Implementierung technischer Schutzmaßnahmen sind entscheidend, um die Sicherheit der Bevölkerung und die Stabilität der Landschaft zu gewährleisten. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Natur auch bei bester Vorbereitung nur bedingt kontrollierbar ist und ein kontinuierliches Monitoring unerlässlich bleibt.

Abbildung 3: Sperrgebiet am Oeschinensee (Eigene Aufnahme Braunstingl 2024)

Diskussionspunkte des heutigen Tages:

1. Umsiedelung als Alternative zum Schutz der betroffenen Gebiete

Angesichts der anhaltenden geomorphologischen Instabilität im Gebiet des Spitze Stei und der hohen finanziellen sowie logistischen Aufwendungen für die kontinuierliche Überwachung und den Schutz der Region stellt sich die Frage, ob eine vollständige oder teilweise Umsiedelung der Bevölkerung eine sinnvolle Alternative darstellen könnte. Teile der lokalen Bevölkerung haben bereits präventiv eine Umsiedelung aus den gefährdeten Gebieten in Betracht gezogen oder umgesetzt. Dies wirft die Frage auf, ob eine staatlich unterstützte und strukturierte Umsiedelungsstrategie langfristig sowohl ökonomisch als auch sicherheitstechnisch vorteilhafter wäre als die ständigen Schutzmaßnahmen, die sowohl finanzielle als auch technische Ressourcen binden. Allerdings müsste eine Umsiedelung gut geplant werden, um den sozialen und wirtschaftlichen Folgen, insbesondere für die lokale Infrastruktur und die Tourismuswirtschaft, gerecht zu werden. Hierbei sollten langfristige Sicherheitsüberlegungen mit kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen abgewogen werden.

2.    Touristische Nutzung und Naturgefahren

Die Region um den Spitze Stei und den Oeschinensee ist ein beliebtes Ziel für Wanderer, Naturliebhaber und Touristen. Allerdings birgt die touristische Nutzung in einem Gebiet mit erhöhter geomorphologischer Aktivität erhebliche Risiken. Trotz bestehender Krisenpläne und umfassender Überwachungsmaßnahmen bleibt das Restrisiko eines plötzlichen Naturereignisses bestehen. Besonders relevant ist hierbei die Balance zwischen der Sicherstellung der touristischen Attraktivität der Region und der Gewährleistung der Sicherheit von Besuchern. Eine stärkere Einschränkung der touristischen Planungen könnte notwendig sein, einschließlich präventiver Schließungen von Wanderwegen und Attraktionen während kritischer Wetterereignisse wie bei starken Niederschlägen. Gleichzeitig könnten gezielte Aufklärungsmaßnahmen und transparente Kommunikation über mögliche Risiken das Sicherheitsbewusstsein der Touristen schärfen, ohne die Attraktivität der Region zu mindern. Eine effektive Risikokommunikation und präventive Sicherheitsmaßnahmen sollten daher in die zukünftige touristische Entwicklung integriert werden, um sowohl wirtschaftliche Interessen als auch die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten.

Quelle:

Abb. 2.: Gemeinde Kandersteg (2024): Information Rutschung Spitze Stei. https://www.gemeindekandersteg.ch/spitze-stei#:~:text=Die%20Bewegungsraten%20im%20tiefgr%C3%BCndigen%20Gipfelbereich,sind%20die%20Bewegungsraten%20praktisch%20unver%C3%A4ndert [Zugriff am 29.09.2024]. 


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Tag 7: Montag, 23.09.2024 - Hochwasser (Kanderdurchstich, Thun)

Michelle Corn & Sara Rainer

Mit dem Regenschirm fest in der Hand ging es für uns heute zu unserem Startpunkt nach Hani, ein Dorf, welches nach einer kurzen Kartenrecherche (Abb. 1), auf ca. 600 Höhenmeter liegt.  Das Thema des Tages war der Kanderdurchstich und seine heutigen Auswirkungen, mit dem wir uns bei einer kleinen Wanderung von Hani bis zum Schloss Thun auseinandersetzten.

Abbildung 1: Kartenrecherche (Eigene Aufnahme: Michelle Corn, 23.09.2024)

Highlight des Tages

Das Motto des Tages war für uns der Satz, den Margreth ganz am Anfang sagte: "Die Probleme von heute waren die Lösungen von gestern."

Was uns schon zu unserem ersten Highlight führt. Wir fanden es äußerst interessant, wie man vor über 300 Jahren auf die Idee kam, die Kander umzuleiten. Vor 1714 floss die Kander in ihrem damaligen Flussbett (heutige Ableitung des Glütschbachs, welche sich zu Beginn entlang der heutigen Autobahn Richtung Bern erstreckte) und mündete zwischen Thun und Uttigen in die Aare. Da es regelmäßig zu Überschwemmungen kam und es Flächen gab, welche nicht bewirtschaftet werden konnten, weil die Kander sich immer einen neuen Weg suchte, kam man auf die Idee, die Kander umzuleiten und den Strättlihügel abzutragen und später einen Stollen in Richtung Thunersee zu errichten. Da dieser Stollen allerdings nach der Umleitung aufgrund von Erosion einbrach, gibt es diesen heute nicht mehr (Abb. 2).


Abbildung 2: Kanderdurchstich (Eigene Aufnahme: Andreas Mayer, 23.09.2024)

An der Kander entlang zum Thunersee zu spazieren war sehr interessant. Wir bekamen immer wieder Informationen, was dieser Durchbruch an gewissen Stellen für Auswirkungen hatte,. Welche Folgen hatte die Aufschüttung des Deltas, und wie führte diese Veränderung zur Hochwassersituation in der Stadt Thun? Früher dachte man also, dass der Stollen eine gute Lösung wäre, danach fand man allerdings heraus, dass neue Probleme aufgrund des Kanderdurchstichs entstanden. Das zweite Highlight war für uns die Messlatte zum Hochwasser. In nur sechs Jahren (1999-2005!!!) kam es zu zwei Hochwasserereignissen, welche einen Wasserstand erreichten, der über einem statistischen 300-jährlichen Hochwasser liegt (Abb. 3). Es war besonders aufschlussreich die Markierungen der verschiedenen Hochwasserereignisse zu sehen und diese Linien in Richtung Stadt weiter zu verfolgen. Es ist einfach unglaublich, wenn man sich vorstellt, wieviel einfach unter Wasser stand und wie groß das Schadensausmaß war. Man erkennt schon bei einigen neueren Häusern Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise erhöhte Lüftungsrohre, welche wir bei Beobachtungen entdeckten.

Abbildung 3: Messlatte zum Hochwasser (Eigene Aufnahme: Sara Rainer, 23.09.2024)

Lessons Learned

Im Laufe dieses Tages gab es für uns einige Aha-Momente, besonders bei Margreths Informationen des Deltas beim Thunersee (Abb. 4). Begriffe wie bottom-set (horizontale feinkörnige Ablagerungen), fore-set(die Böschungsschicht hat eine gewisse Neigung) und top-set (Deckschicht an der Deltaebene) wurden nun verständlicher. Auch die Deltaarme waren gut erkennbar und dadurch, dass wir uns auch vor Ort umschauen konnten, wurde unser Wissen wie diese entstehen erweitert.

Abbildung 4: Delta beim Thunersee (Eigene Aufnahme: Sara Rainer 23.09.2024)

Was wir auch nicht wussten, ist, dass man versucht, den Seespiegel mit Hilfe von Schleusen und Stollen (gebaut nach dem Ereignis von 2005) zu senken, um in Zukunft dramatische Schäden zu vermeiden. Abbildung 5 zeigt, wann welche Mittel zur Schadensminderung in Thun eingesetzt werden. Es muss aber auch immer an die Menschen im nächsten Dorf oder in der nächsten Stadt gedacht werden, damit diese durch die Maßnahmen in Thun keine Hochwasserprobleme bekommen.

Abbildung 5: Maßnahmen zur Schadensreduzierung (o. A., o. D.)

Abschließend lässt sich sagen, dass sich der Satz „Die Probleme von heute waren die Lösungen von gestern.“ für viele Situationen beispielsweise im Naturgefahrenschutz übertragen lässt. An jedem Tag dieser Exkursion sprachen wir von verschiedenen Schutzmaßnahmen, aber ob diese in Zukunft nicht größere Dilemma verursachen, steht noch in den Sternen.


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Tag 8: Dienstag, 24.09.2024 - sozioökonomische Faktoren (Bern)

Andreas Bregulla

Heute ist der Endspurt unserer Exkursion. Wir beginnen den Tag mit einer etwa 30 Minuten dauernden Busfahrt von der letzten Unterkunft in Thun (Steffisburg) nach Bern im gleichnamigen Kanton.

Während der Busfahrt erfahren wir von unserer Exkursionsleitung einige Daten zu sozioökonomischen Strukturen in der Bundesstadt Bern, die Hauptstadt in der Schweiz. So beträgt die ständige Wohnbevölkerung in Bern etwa 137.000 Personen und in dem Raum der Agglomeration Bern (inkl. Stadt Bern) sind es rund 426.000 Menschen (Zahlenwerte nachträglich entnommen vom Bundesamt für Statistik (BFS), Stand Ende 2023). In Bern befinden sich viele Bereiche der Schweizer Bundesverwaltung. Weiters sind in der Stadt Botschaften, Forschung, Pharmaindustrie und andere Industrieunternehmen aus der Elektro und IKT-Branche, sowie Sozial- und Gesundheitsdienstleister*innen angesiedelt. Fast 60% der Beschäftigten aus der Agglomeration arbeiten in der Stadt Bern, was auf einen hohen Pendlerstrom in die Bundesstadt hinweist.

Wir fahren an Gebäuden aus den 1950er Jahren, etwas später an modernen Häusern und Villen und an der Österreichischen Botschaft vorbei und erhaschen einen kurzen Blick auf den, uns bereits bekannten Fluss Aare. Wir erreichen um etwa 9 Uhr die Innere Stadt mit ihren fünf Quartieren (≙ Stadtteilen), die wir zu Fuß erkunden werden. Die Innere Stadt ist die formelle Bezeichnung für die Altstadt von Bern. Ende des 12. Jhd. wurde Bern vom Herzog Berchtold V gegründet. Nach einem Großbrand anfangs des 15. Jhd. von mehreren hundert Holzhäusern und mit zahlreichen Todesopfern wurden die Häuser aus lokal gewonnenen Sandsteinen wiederaufgebaut und mit Laubengängen (Arkaden) ergänzt. Der Ausbau der Altstadt ging weiter und der mittelalterliche Charme ist geblieben. 1983 wurde die Berner Altstadt in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.

Unser Erkundungsrundgang beginnt nun am Bundeshaus, in dem das Schweizer Parlament residiert. Abb. 1 zeigt einen Blick von der Bundesterrasse am Bundeshaus in Richtung Süden. Am oberen Rand in Abb. 1 ist der Gurten sichtbar, der auf eine glaziale Überprägung des Molassebeckens im Berner Umland hindeutet.

Abbildung 1: Blick von der Bundesterrasse am Bundeshaus nach Süden. Foto: Andreas Bregulla.

Wir setzen unsere Tour fort und schlendern anfangs durch den Wochenmarkt am Bundesplatz, auf dem dienstags und samstags frische Lebensmittel aus der Region angeboten werden.

Bei kleinen Zwischenstopps können wir in die Geschichte der Stadt eintauchen, z.B. ein restauriertes Fachwerkhaus in der Brunngasse (nach dem Großbrand im. 15. Jhd.) oder das imposante Kornhaus, in dem im 18. Jhd. Getreide und Wein eingelagert wurden, bestaunen. Heute wird das Kornhaus multifunktional genutzt. Weitere Highlights sind das Rathaus, in dem politische Entscheidungen für die Stadt und den Kanton Bern getroffen werden sowie das weit über die Dächer der Stadt herausragende Berner Münster. Es ist die größte sakrale Kirche in der Schweiz.

Beim Queren der zahlreichen Gassen in der Altstadt fallen uns die vielen künstlerisch gestalteten Brunnen mit Trinkwasserqualität auf. Die Brunnen wurden teilweise schon im Mittelalter errichtet. Sie sind Zeugen für eine hohe Lebensqualität in der Stadt, bereits vor einigen Jahrhunderten. Des Weiteren erfahren wir, dass das Abwasser aus den Häusern auch bereits zu dieser Zeit über ein unterirdisches Kanalsystem abgeleitet wurde.

Im Matte-Quartier (Schwarzes-Quartier), Innere Stadt, angekommen begegnen wir dem Element Wasser, dieses Mal mit seinen zwei unterschiedlichen ›Gesichtern‹. Der Grund dafür ist die Teilableitung des Aarewassers in einen im 19. Jhd. gebauten Kanal an der natürlichen Steilschwelle der Aare zur Stromerzeugung. Das ist die wertschöpfende und nützliche Eigenschaft des Wassers (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2a: Blick von der Münsterpromenade auf die Aare und den Kanal. Foto: Andreas Bregulla.
 

Abbildung 2b: Blick vom Kraftwert entlang des Kanals in Richtung Steilstufe. Foto: Andreas Bregulla.

Auf der anderen Seite ist Matte beim Hochwasser besonders gefährdet, da das Kanalwasser dann regelmäßig über die Ufer austritt und das Quartier überschwemmt wird. In einer Grafik, des Schweizer Bundesamtes für Umwelt (BAFU), wurde für die Beobachtungsperiode 1918 – 2015 an der Aare in Bern eine geschätzte Kennlinie für die Hochwasserwahrscheinlichkeit mit einem 95%-Vertrauensintervall ermittelt. Ergebnis: Es gab in dieser Periode vier Extremhochwasserereignisse mit einer Überschreitung der 30 jährlichen Abflussmarke. Zwei Extrema, eines im Jahr 1999 mit 613 m3/s Abfluss und das andere im Jahr 2005 mit 605 m3/s Abfluss, überschritten sogar die geschätzte Wiederkehrperiode von 150 Jahren und das in einem Zeitraum von nur 6 Jahren. In Anbetracht der Häufigkeit dieser Extremereignisse kann der anthropogene Einfluss auf das Klima kaum unberücksichtigt bleiben.

Wir fragen uns jetzt, wie Menschen, die hier leben oder arbeiten ihre Häuser vor dem Hochwasser schützen?

Wir gehen weiter in Richtung der ältesten Brücke, Untertorbrücke (neu erbaut um 1461-89), über die Aare und werden fündig. Der Hochwasserschutz besteht aus gemauerten Mauern oder Führungsschienen für die Aufnahme von mobilen Absperrplatten vor den Hauseingängen sowie massiven Abdeckungen vor tiefliegenden Fenstern bzw. Gebäudeöffnungen. Die Fotoreihe in Abb. 3 zeigt den erwähnten Objektschutz, der in Bern von der Bevölkerung selbst zu finanzieren ist.

Abbildung 3: Objektschutz beim Hochwasser in Matte-Quartier. Fotos: Andreas Bregulla, mit roten Pfeilen ergänzt.

Oberhalb des Bärengeheges (Bärenparks), einer Attraktion der besonderen Art in der Stadt Bern, auf der orographisch rechten Uferseite der Aare endet unser Exkursionsrundgang in Bern.

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